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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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dumpfe Gefühl, etwas Unrechtmäßiges zu tun, eine Art Entführung, was sich der eventuell auftauchenden Polizei nur schwer erklären ließ. Solche Ängste beschäftigten Mrs. Ndhlovo nicht. Sie amüsierte sich königlich. Skullion hatte sie beeindruckt. Noch im Rollstuhl und halb gelähmt hatte sie in ihm einen richtigen Mann erkannt, wenn auch einen begreiflicherweise garstigen.
    Um Punkt eins hörten sie den Rollstuhl und sahen, wie die dunkle Gestalt über die löchrige Asphaltauffahrt auf sie zurumpelte.
    »Öffnen sich die Torflügel nach innen oder außen?« fragte Skullion.
    »Nach innen, glaube ich. Ja, nach innen«, antwortete Purefoy. »In Ordnung, hier ist der Schlüssel. Während Sie aufschließen, rolle ich ein Stück zurück.« Er reichte ihnen einen Schlüsselbund, und Purefoy suchte mit Hilfe der Taschenlampe das Schloß. Als die Torflügel geöffnet waren, rollte Skullion schnell nach draußen. »Jetzt wickeln Sie die Kette wieder rum, schließen ab und geben mir die Schlüssel. Dann merken die endlich mal, wie es ist, eingeschlossen zu sein.« »Ich dachte, Sie wollten nicht, daß man Sie verfolgt«, sagte Mrs. Ndhlovo, was Skullion zum Kichern brachte.
    »Mich verfolgt, Schätzchen? Die würden mich auf keinen Fall suchen, außer ich wär das letzte arme Arschloch da drüben, und ihre Arbeitsstellen hingen davon ab. Die sind froh, wenn sie mich von hinten sehen. Was umgekehrt ebenso gilt. Und das Telefon haben sie immer abgeschlossen, damit nur sie es benutzen oder hören können, was man sagt. Den Schlüssel für das Telefon hab ich auch, genau wie den vom Keller und von der Speisekammer. Hundsgemein. Jetzt wird’s richtig schwierig, nämlich mich in das Auto zu heben. Nehmen Sie erst den Stuhl. Ich stütze mich hier ab.«
    Es war kein Zuckerschlecken, ihn mitsamt seines Rollstuhls in den Wagen zu verfrachten, doch endlich hatten sie es geschafft, und sobald Skullion keuchend in dem festgezurrten Rollstuhl saß, fuhren sie schon die Fish Lane hoch. »Wohin wollen Sie, Mr. Skullion?« fragte Mrs. Ndhlovo. »Nach Hause«, antwortete Skullion. »Trautes Heim, Scheißglück allein.«
    »Sie meinen Porterhouse?«
    »Bloß nicht, nicht dahin. Jedenfalls noch nicht. Fahren Sie einfach nach Cambridge, dann zeig ich’s Ihnen. Nehmen Sie die Straße nach Swaffham. Um diese nachtschlafende Zeit ist da kaum Verkehr.«

37
    Am nächsten Tag wachten Purefoy und Mrs. Ndhlovo spät auf. Sie waren erst nach drei Uhr morgens in Cambridge angekommen und hatten Skullion bei einem Paar abgesetzt, das in einer Seitenstraße der Newmarket Road wohnte und sein unverhofftes Eintreffen mitten in der Nacht recht gelassen aufnahm, so als wäre es das Normalste der Welt. »Alte Freunde«, mehr verriet Skullion nicht. »Wenn Sie möchten, kommen Sie vorbei, und ich erzähle Ihnen, was Sie wissen wollen. Hier wird man mich nicht finden, wenn Sie nichts verraten.« Dort hatten sie ihn zurückgelassen, und Purefoy hatte den Transporter am anderen Flußufer abgestellt, bevor er müde nach Porterhouse zurückging. Jetzt am Morgen haftete dem ganzen Erlebnis etwas Unwirkliches an, jedenfalls für Purefoy. Für Mrs. Ndhlovo war es offenbar völlig normal, mitten in der Nacht eine Befreiungsaktion aus einem sogenannten Seniorenwohnheim durchzuführen. »Da kriegte man ja eine Gänsehaut, und diese Mrs. Morphy, die ist bestimmt für Zwangseuthanasie. Aber deinen Mr. Skullion mag ich. Der ist mal was anderes.« Purefoy widersprach nicht. Skullion war wirklich etwas anderes, dennoch wußte er noch nicht recht, ob er ihn mochte. Der Mann strahlte eine Härte aus, die Purefoy beunruhigte, und außerdem konnte er den drohenden Unterton in Skullions Stimme nicht vergessen, als der den Dekan gewarnt hatte. »Das liegt daran, daß du ein so behütetes Leben geführt hast, Purefoy«, hatte ihn Mrs. Ndhlovo aufgeklärt. »Wann bringen wir den Transporter zurück und holen den Pkw? Bitte nicht heute. Ich bin zu müde, außerdem solltest du dir erst mal anhören, was er zu sagen hat.«
    Sie gingen essen, und als sie schließlich zu dem Haus in der Onion Alley kamen, war es sechzehn Uhr. Eine rundliche Frau ließ sie ein. »Wegen der Treppe ist er vorne im Wohnzimmer, das brauchen wir sowieso nie«, erklärte sie. »Nur für besondere Gelegenheiten. Da haben wir ihm ein Bett hergerichtet. Er liegt immer noch. Ich seh mal eben nach, ob er besuchsfertig ist. Ach ja, ich bin übrigens Mrs. Rawston. Charlie, mein Mann, ist mit Mr. Skullion zur

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