Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
Castle aufgesucht hat, und das macht er nicht bloß, um ein Schwätzchen zu halten. Ist ja auch egal. Lassen Sie bloß nicht herumliegen, was ich Ihnen erzählen werde. Bringen Sie es an einen sicheren Ort außerhalb des Colleges.«
    Er trank seinen Tee aus und reichte die Tasse Mrs. Ndhlovo. »Und Sie sollten sich hier nicht sehen lassen«, riet er ihr. »Am besten nehmen Sie sich ein möbliertes Zimmer. Mrs. Charlie wird Ihnen ein paar empfehlen. Der Dekan und der Obertutor halten nichts von Frauen im College.«
    »Ist mir egal, wovon sie etwas halten. Ich bin berechtigt ...«
    »Berechtigt? Schon möglich, daß Sie berechtigt sind, aber die finden garantiert irgendeine Vorschrift, in der das Gegenteil steht, und damit machen sie Ihrem Freund einen Haufen Ärger. Das dürfen Sie mir glauben. Sobald ich fertig bin, sieht die Sache anders aus. Doch im Moment halten Sie sich besser bedeckt. Die können vermuten, was sie wollen, aber unternehmen können sie nichts. Und ich will nicht, daß sie mich finden und daran hindern, alles auszuplaudern.« »Wenn Sie es sagen, Mr. Skullion, wenn Sie es sagen.« »Vernünftig«, sagte Skullion, dem das »Mister« gefiel. »Jetzt wollen Sie bestimmt den Transporter zurückbringen und Ihr Auto holen. Fragen Sie Mrs. Charlie nach den möblierten Zimmern, und wir sehen uns morgen. Irgendwann vormittags, wann Sie wollen.«
    Es war kurz vor Mitternacht, als sie wieder nach Cambridge kamen und sich nach oben in Purefoys Wohnung schlichen. »Nur dieses eine Mal«, sagte Mrs. Ndhlovo. »Morgen früh beziehe ich ein Zimmer.«
    Das Abendessen im Speisesaal war eine triste Angelegenheit gewesen. Gewöhnlich wurde Porterhouse Park nicht erwähnt, weil das Thema als unpassend und makaber galt, doch diesmal kam man nicht darum herum.
    »Dr. Osbert und eine Frau haben ihn besucht? Wie haben sie bloß den Weg da hinaus gefunden?« wollte der Obertutor wissen.
    »Offenbar ist unser junger Kollege viel raffinierter als sein Auftreten vermuten läßt«, sagte der Dekan. »Ein angeblicher Krankenhausmitarbeiter rief hier an, um mitzuteilen, man benötige Blut für eine Transfusion, bei Skullion sei ein Geschwür aufgebrochen oder irgend so ein Quatsch, und sie brauchten die Adresse. Walter gab sie ihnen. Und jetzt ist Skullion verschwunden, und die Polizei berichtet mir, daß
    sämtliche Tore verschlossen waren und alle Schlüssel weg sind.«
    »Übel, ganz übel. Er kann sich nicht zufällig aus eigener Kraft entfernt haben?«
    »Man sollte nicht meinen, daß jemand in seinem Zustand in einem Rollstuhl sehr weit kommt, ohne entdeckt zu werden. Nein, meiner Ansicht nach muß man davon ausgehen, daß Dr. Osbert ihm bei der Flucht geholfen hat.« »Aber warum um alles in der Welt? Ich kann mir absolut nicht vorstellen, daß er und Skullion auch nur die geringste Gemeinsamkeit haben. Der ist genau die Sorte junger Mann, die er nicht leiden kann.«
    Der Dekan behielt seine Überlegungen zu dem Thema für sich und warf dem Praelector einen vielsagenden Blick zu, doch der war mit anderen Dingen beschäftigt. Bald waren die Bootsrennen und danach die Maibälle, und zum erstenmal seit vielen Jahren veranstaltete Porterhouse einen eigenen Maiball. Zu diesem Zeitpunkt sollte Hartang schon im Rektorenhaus untergebracht sein – ausnahmsweise wurde die Amtseinführung des neuen Rektors bis zum Michaelstag verschoben, für den Fall, daß man gewisse »Änderungen« vornehmen mußte. Zudem hatte der Praelector einen Teil des Nachmittags mit drei Personen aus London zugebracht, deren Ausweise besagten, daß sie Zollinspektoren waren, deren Fragen und genaue Überprüfung des Colleges und besonders des Rektorenhauses aber eher einer Sicherheitsüberprüfung glichen. Die Frau hatte den Praelector am meisten beeindruckt. Sie mochte Mitte Vierzig gewesen sein und wirkte wie eine ganz normale Hausfrau, die gerade vom Supermarkt heimkehrte – sie hatte sogar eine Einkaufstasche dabei – oder von der Stadtbücherei, wo sie einen neuen historischen Liebesroman ausgeliehen hatte. Ihre dauergewellten Haare waren leicht blaugetönt. Sie war klein und mollig und erschien auf den ersten Blick verträumt und geistesabwesend. Als die drei fertig waren, war dieser erste Eindruck gänzlich verflogen. Zu viele intelligente Fragen und ihre offensichtlich vorhandene Autorität hatten die scheinbar verträumte Geistesabwesenheit verdrängt. Der Praelector wollte lieber nicht wissen, was in der Einkaufstasche steckte. Besonders

Weitere Kostenlose Bücher