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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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es mal auf dem Löwengarten versuchen«, murmelte er. »Aber wenn Sie mich fragen, dann glaub ich nicht, daß Sie reinkommen.«
    Kudzuvine wandte sein Augenmerk vom Rasen weg. »Sagten Sie ... Sie sagten eben ›Löwengarten‹?« fragte er. Das Wort Ehrfurcht beschrieb seine Gemütslage unzureichend. Entsetzen, das war’s.
    »Er meint den Parkplatz«, erklärte der Schatzmeister. »Der hat mit dem College nichts zu tun. Und Löwen gibt es da keine, das versichere ich Ihnen.«
    »Und ob«, widersprach Walter. »Einen großen roten.« Der Schatzmeister sah ihn an und schüttelte den Kopf. Er hatte Skullion als Chefpförtner nie gemocht, doch manchmal wünschte er ihn sich zurück. Mit Skullion wäre eine solche Situation undenkbar gewesen. »Ja, Walter, aber einen steinernen. Ein Standbild«, erklärte er, um Geduld ringend. »Löwengarten heißt er nach dem alten Pub, der dort früher stand.«
    »Ich sehe den ›Löwen‹ noch vor mir«, sagte der Kaplan, der sich zu der Versammlung vor dem Pförtnerhaus gesellt hatte. »Eine Schande, daß man ihn abgerissen hat. Nebenan gab es einen herrlichen Verbindungsgang, fast eine Arkade, mit Ledersofas auf beiden Seiten und kleinen Versicherungsbüros und Reedereivertretern dahinter. Dort habe ich morgens immer gegessen und Kaffee getrunken. Und natürlich gab es eine Bar.
    Und wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, hatte ein unternehmungslustiger junger Mann aus dem Magdalene College dort eine Art Kasino mit einem Rouletterad. Ein Mordsspaß.«
    Kudzuvine und die anderen Rollkragenpullis starrten in stummer Bewunderung durch ihre blauen Sonnenbrillen. Offensichtlich hatten sie noch nie etwas Ähnliches gesehen oder gehört.
    »Nun denn, liebe Leute, jetzt muß ich euch verlassen«, sagte der Kaplan. »Das Frühstück ruft. Geistige Nahrung schön und gut, aber, um die Worte unseres Herrn nur ganz leicht in Richtung Praxis zu lenken, ›Der Mensch lebt nicht von Wein und Keksen allein.‹ Schließlich müssen wir uns auch um unsere Körperlichkeit kümmern. Hat mich wirklich sehr gefreut.« Und damit taperte er in Richtung Speisesaal, dem Duft von Haferbrei, Schinken mit Eiern und frischem Kaffee folgend. In der beinahe heiteren Atmosphäre, die von den nostalgischen Reminiszenzen des Geistlichen erzeugt worden war, brachte der Schatzmeister Kudzuvine in den folgenden zwanzig Minuten dazu, den Wagen in einiger Entfernung vom College abzustellen.
    »Wenn Sie ihn brauchen, schaffen wir Platz in der Nähe des Fahrradschuppens«, erklärte er, »obwohl ich zugeben muß, daß ich mir nicht vorgestellt habe ... also, das Ding ist so groß, hätte es da nicht ein kleineres Format getan?« Dieses Wort hätte er besser nicht benutzt. Kudzuvine kam es als Aufhänger gerade recht. »Professor Schatzmeister, haben Sie das gesagt?« blaffte er.
    »Tja, ich glaube schon ...«, fing der Schatzmeister an, doch Kudzuvine hatte ihn am Arm gepackt.
    »Kleinere Formate kommen nicht in Frage. Mit unseren Geräten können wir Fünfunddreißig- oder besser gleich Siebzigmillimeterfilme drehen. Es gibt da diese Bälle, verstehen Sie, und alle tanzen an der frischen Luft ...« Er brach ab und wirkte verwirrt. »Wo wird getanzt?«
    Der Schatzmeister lächelte. Es sollte für eine ganze Weile sein letztes Lächeln bleiben. »Na, hauptsächlich im Speisesaal«, antwortete er. »Die Tische werden rausgeräumt.« »Im Speisesaal? Will ich sehen«, raunzte Kudzuvine. Der Schatzmeister ging voran zu dem Wandelgang, gefolgt von einem staunenden Transworld-Television-Team. »Das ist der Wandelgang«, erklärte er. »Zu unserer Linken befinden sich die Küchenräume ... nun, eigentlich sind sie noch tiefer, aber die Treppe führt in die ›Buttery‹. Und die Buttery ...« »Augenblick mal. Moment«, sagte Kudzuvine mit fast flehendem Unterton. »Heißt das, ihr macht da eure eigene Butter? Heißt das, in Holzfässern mit so Scheißgriffen und Milchmädchen und ... Da bleibt einem glatt die Spucke weg. Das ist ja abgefahrener als abgefahren. Großer Gott, daß ich so was erleben darf. Und Sie sagten, Ihr benutzt keine Federkiele mehr.«
    »Das tun wir auch nicht«, sagte der Schatzmeister kühl. Er war immer noch äußerst ungehalten über Mr. Skundlers Unhöflichkeit und dessen Ansicht, er müsse für jeden kleinen Eintrag eine Gans fangen. »Und die ›Buttery‹ hat nichts mit Butter zu tun. Dort wurden Brot und Bier – und in längst vergangenen Zeiten auch etwas Butter – aufbewahrt. Heute kauft man

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