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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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das Wesen in dem Stuhl offenbar unter großen Mühen so unartikuliert von sich gab.
    »Das hätten Sie nicht tun dürfen«, sagte Skullion. Er mußte den Satz mehrmals wiederholen, um sicherzugehen, daß Kudzuvine verstanden hatte, doch der war ihm schon ein Stück weit voraus. Er wußte, daß er nicht hätte tun sollen, was auch immer er getan haben mochte. Das lag auf der Hand. Als hätte er das falsche Dope genommen, Mann, einen Cocktail aus Crack, LSD, Krötenstoff und irgend so ’nem beschissenen Nervengas. Es mußte irgendeine Katastrophenmischung sein, etwas anderes war gar nicht möglich. Aber warum dieses verfluchte Schlafzimmer, wo dicke, sehr dicke Babys an der beschissenen Decke rumflogen und dieses beschissene Quasimodo-Update dahockte, als wartete es darauf, daß sein Scheißsteak genau richtig durchgebraten war? »Sie haben die Kapelle beschädigt«, gab Skullion unter erheblichen Schwierigkeiten von sich. »Sie haben die Kapelle beschädigt.«
    Irgend etwas in Kudzuvines Nervensystem rührte sich und erstarb. Er kannte das Wort »Kapelle«, und er kannte mit Sicherheit das Wort »Schaden«, wenn er es auch gewöhnlich in Zusammenhang mit Begriffen wie »Begrenzung« und »zufügen« verwendete, von denen in seiner jetzigen Lage keiner auch nur die geringste Bedeutung hatte. Kudzuvine klammerte sich an »Kapelle«, und da befand er sich immer noch, als die Schwester das Zimmer betrat und sagte: »Rektor, Sie dürfen den Gentleman nicht ermüden. Lassen Sie ihn in Frieden ruhen.« Wogegen nichts einzuwenden gewesen wäre, nur, daß eine massige Frau in Krankenschwesterkleidung dieses Etwas in dem Stuhl »Rektor« nannte, weckte in Kudzuvine dermaßen entsetzliche Vorstellungen von der gewaltigen Macht und dem Einfluß dieses Wesens, daß ihm absolut klar war, es mußte der Teufel sein. Das kombinierte er mit Kapelle und erhielt Friedhofskapelle, was seinen Zustand ja nun erklärte das riesige Bett, das Zimmer und die an der Decke herumfliegenden verfluchten Babyengel.
    Es erklärte auch, warum er splitternackt war. Er befand sich in der Leichenhalle eines Bestattungsunternehmers und wartete darauf, beerdigt, eingeäschert oder vielleicht vorher einbalsamiert zu werden. Und nun war auch klar, warum ihn das Wesen in dem Rollstuhl so angesehen hatte. Es hatte Maß für den Sarg genommen oder aber das Prozedere für die bevorstehende Einbalsamierung ersonnen. Vor allem war die schwarze Melone auf seinem Kopf nicht länger erstaunlich und die Tatsache, daß dieses Monstrum eine Weste mit quer darüberhängender Goldkette trug. Wenn es irgendwas gebraucht hätte, Kudzuvine in eine Raserei des Schreckens zu versetzen, dann die Befürchtung, lebendig begraben zu werden. Oder eingeäschert. Oder einbalsamiert. Über das Einbalsamieren von Menschen wußte Kudzuvine nicht viel, doch er war sich sicher, daß die Körper aufgeschnitten und die Organe entnommen wurden, bevor man etwas anderes hineinstopfte. Und das alles würde stattfinden, während er bei vollem Bewußtsein war zeitweise wenigstens, zu Beginn, was zweifellos die schlimmste Phase war. Das ging nicht. Es durfte nicht sein. Er mußte ihnen zeigen, daß er noch am Leben war.
    Kudzuvine gab Gurgellaute von sich und sagte mehrmals ziemlich laut »Scheiße«, was er dadurch abmilderte, daß er noch mehrmals »Gott« und sehr oft »Hilfe« nachschob. Dann sank er zurück und schlief ein, wurde aber eine Weile später wieder geweckt und sah, daß ein großer, dünner, ja, regelrecht ausgemergelter Alter und ein kleinerer, untersetzterer Mann in mittleren Jahren mit roten Haaren auf einer Seite des Bettes standen. Die massige Frau in Schwesterntracht stand auf der anderen. Doch wenigstens war dieses Wesen nicht bei ihnen. »Und wie hat er sich geführt, Schwester?« fragte der Rothaarige. »Gab’s Schwierigkeiten?«
    »Überhaupt keine, Doktor«, antwortete die Frau. »Hat geschlafen wie ein Toter.«
    »Hilfe, Hilfe«, brachte Kudzuvine nuschelnd heraus. »Anscheinend will er etwas sagen«, bemerkte der große dünne Mann. Doch der Arzt hatte sich auf die Bettkante gesetzt und leuchtete mit einer Taschenlampe in Kudzuvines Auge. Zweifellos gefiel ihm nicht, was er sah. »Das neue Mittel, das ich gestern abend bei ihm ausprobiert habe, war anscheinend effizienter als erwartet«, sagte er. »Es ist eine synergistische Kombination mehrerer hochwirksamer antipsychotischer Tranquilizer mit einem Muskelrelaxans für den Fall aggressiver Tendenzen. Noch ganz neu

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