Bloody Mary.
Scab natürlich. Ist ein verdammt treuer Freund, der Scab. Die Frau vom alten Barney Furbelow kommt dreimal die Woche und besorgt mir den Haushalt, und ich besorg’s ihr, wann immer ich kann. War mal der Hilfsgärtner, der olle Barney. Und vor ihm sein Vater. Die guten alten Zeiten, Dekan, die verflucht guten alten Zeiten.« Irgendwie schafften sie es bis ins Häuschen, wo Pimpole sich vergeblich mühte, den Dekan nach oben auf sein Zimmer zu bringen. Der Dekan half ihm auf die Beine. »Ich schlaf auf der Couch im Wohnzimmer«, murmelte Pimpole. »Wenn Sie mal müssen, Toilette ist auf dem Hof.« Der Dekan ging nach oben auf sein Zimmer, zog sich aus und stieg ins Bett. Daß es eiserne Bettgestelle dieser Machart noch gab, hatte der Dekan vergessen, und die Matratze war schäbig und durchgelegen. Seine Hände brannten immer noch von den Nesseln, genau wie das Gesicht, und das Bettzeug roch eigenartig, doch er war froh, allein zu sein und ein Dach über dem Kopf zu haben. Es war ein grauenhafter Tag gewesen. Und auch die Nacht wurde nicht sehr angenehm. Eine schlaflose Stunde später mußte er pinkeln, und die Toilette lag nach hinten heraus im Freien. Nicht so der schielende Hund. Er schlief bei Pimpole im Wohnzimmer, und kaum hatte der Dekan die unterste Treppenstufe erreicht, streckte er seinen schrecklichen Kopf aus der Tür und knurrte. Als der Dekan stehenblieb, kam der Köter noch weiter heraus und knurrte erneut. Entnervt ging der Dekan rückwärts die Treppe hoch, schloß seine Schlafzimmertür und hoffte, daß in einem Zimmer,
das mit einem derart antiken Bett ausgestattet war, auch ein Nachttopf aufzustöbern sei. Dem war nicht so, und in seiner Verzweiflung sah sich der Dekan gezwungen, aus dem Fenster zu pinkeln, dem Geräusch nach auf einen blechernen Mülleimerdeckel. Dann ging er wieder zu Bett und schlief ein. Nach einer Stunde wachte er zitternd auf und dachte an das Sterben jenes Englands, das er so geliebt hatte, und wie sehr alles vor die Hunde gegangen war. Und er dachte, daß er sich nach Porterhouse zurücksehnte, wo er in Sicherheit war und nie wieder das Grauen würde erleben müssen, in einer heruntergekommenen Kneipe mit dem gräßlichen Pimpole eine Hundeschnauze zu trinken.
Er wußte nicht, wie viele Stunden er insgesamt geschlafen hatte, doch um sechs Uhr morgens hielt er es nicht mehr aus. Er stand auf und suchte nach einem Badezimmer, wo er sich waschen und rasieren konnte. Es gab keins, oder falls doch, befand es sich im Erdgeschoß, und dieser Scheißköter ... Er zog sich an und dankte Gott, daß er nur eine Reisetasche mit ins Haus genommen hatte und das restliche Gepäck noch im Kofferraum seines alten Rover verstaut war. Todesmutig ging er nach unten, und Scabs Knurren trotzend verließ er das Häuschen.
Als er wieder in Cambridge eintraf, hatte der Dekan noch weitere Schrecken des modernen England überstehen müssen. Statt der schmalen Sträßchen und Landstraßen, die ihm auf seiner Fahrt gen Norden soviel Freude gemacht hatten, war er eisern auf der Autobahn geblieben, aber in der Nähe von Lancaster durch einen Unfall, bei dem Chemikalien ausgetreten waren, aufgehalten worden; in dem gewaltigen Stau war der alte Rover heißgelaufen; der Mann vom Automobilclub, der gekommen war, um ihn wieder zum Laufen zu bringen, hatte sich gewundert, daß der Wagen überhaupt lief, und sich erkundigt, wie er es bewerkstelligt habe, die TÜV-Plakette zu bekommen; die Raststätte, wo er sich einen Kaffee und einen kleinen Imbiß genehmigen wollte, war von acht Busladungen Fußballfans aus Liverpool und etlichen begleitenden Polizeifahrzeugen überfüllt gewesen; die Wurst mit Pommes, für die er sich entschieden hatte, um das Vakuum in seinem Magen zu füllen, waren ihm nicht bekommen, so daß er sich besorgt fragte, ob das Haltbarkeitsdatum der Würstchen nicht schon längst abgelaufen war; und um seine Demütigung komplett zu machen, hatte ihn ein junger Rüpel, mit dem er auf einer öffentlichen Toilette bei Birmingham versehentlich zusammengestoßen war, als blöden alten Wichser beschimpft. Zuguterletzt – krönender Abschluß dieses Tages voller Schrecken hatte er auch noch die Abfahrt auf der M 1 verpaßt und mußte endlos weit fahren, bevor er irgendwann den Weg zurück nach Cambridge fand.
Endlich in Porterhouse eingetroffen, hatte der Dekan nicht einmal schlechte Laune. Er war zu erschöpft und ernüchtert, um überhaupt irgendeine Laune zu haben. Er hatte seit achtundvierzig
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