Bloody Mary.
glaube.« »Was glauben?« fragte der Praelector, der die ganze Episode ebenfalls kaum hatte fassen können.
»Daß so etwas in dem Schatzmeister steckt. Ich habe ihn immer für einen schlappen kleinen Wicht gehalten, und was war das von wegen einem Spülapparat? Das begreife ich nicht.« Doch der Praelector antwortete nicht. Er fragte sich, was genau in dem Schatzmeister steckte und wie sie das Material verwenden sollten, das Kudzuvine ihnen lieferte. Sogar der hinter ihnen sitzende Skullion hörte interessiert zu. Ihm hatte besonders gefallen, wie der Schatzmeister darauf bestanden hatte, daß Kudzuvine ihn »der Rektor, mit Betonung auf der« nannte, und nicht ein Quasimodo-Update, was immer das sein mochte.
18
Als der Dekan am nächsten Morgen zum Frühstück nach unten kam, ging es ihm viel besser. Er hatte gebadet, sich rasiert, sehr gut geschlafen und freute sich auf seinen Haferbrei, auf Schinken mit Eiern, Toast mit Marmelade und Kaffee. Doch als er über den Hof zum Speisesaal ging, fiel ihm auf, daß mit der Kapelle etwas überhaupt nicht stimmte. Ein Eisengerüst umgab sie, und sogar von der Rasenmitte des Alten Hofs aus sah er, daß das Dach ganz ungewöhnlich schräg war. Offenbar hatte es Ärger mit den Dachbalken gegeben. Schon vor Jahren hätte man sich um sie kümmern müssen, doch der Schatzmeister hatte erklärt, für mehr als die notwendigsten Reparaturen reiche das Geld auf dem College-Bankkonto nicht aus. Das war typisch für diesen Mann. Na, er würde mal ein Wörtchen mit ihm reden. Doch das mußte warten. Jetzt wollte der Dekan frühstücken. Er setzte sich und war verblüfft, als der Obertutor die Stimme erhob, noch ehe er mit seinem Haferbrei begonnen hatte. »Es ist unbedingt notwendig, daß wir heute morgen zu einer Besprechung zusammenkommen«, verkündete er. »Sie und ich und der Praelector. Um zehn Uhr in meinen Räumen.« Der Dekan wirkte geschockt. In Porterhouse galt das ungeschriebene Gesetz, daß niemand beim Frühstück sprach. Ein genuscheltes »Guten Morgen« war das höchste der Gefühle. Danach wurde das Essen schweigend eingenommen. Es mußte ernsthafte Probleme geben, wenn der Obertutor, der es mit der Tradition peinlich genau nahm, auf diese Weise das Wort ergriff. Der Dekan nickte ziemlich unwillig, schwieg aber. Sein Haferbrei wurde kalt. Doch als der Praelector eintraf und ihm mit einem bedeutungsschwangeren Blick auf den Obertutor dieselbe Nachricht zuflüsterte, wußte der Dekan, daß es sich um eine größere Krise handelte. Etwas wahrhaft Schreckliches mußte geschehen sein. Ein Weilchen noch gehorchte er der Tradition, doch die Anspannung war zu groß für ihn. »Ist ... ist der Rektor von uns gegangen?« flüsterte er. Der Obertutor schüttelte den Kopf. »Schlimmer als das, viel schlimmer«, antwortete er. »Kann jetzt nicht darüber reden.« »Hoffentlich nicht«, erwiderte der Dekan und widmete sich wieder seinem Haferbrei. Doch die Freude an seinem ersten ordentlichen Frühstück seit Wochen war dahin. Er konnte sich nicht einmal auf seine Eier mit Schinken konzentrieren. Ihm wurde ganz elend, wenn er daran dachte, was sie ihm wohl mitzuteilen hatten. Selbst der Schaden an der Kapelle berechtigte wohl kaum zu solch extremer Redseligkeit. Für die Reparaturen konnte das College jederzeit eine Unterstützung bekommen. Die Kapelle war ein wichtiges historisches Baudenkmal, und die englische Denkmalstiftung würde mit Sicherheit einen gewissen Betrag zuschießen. Mit äußerst ungutem Gefühl trank der Dekan seinen Kaffee aus und trat in den strahlenden Sonnenschein hinaus. Der Praelector und der Obertutor folgten ihm auf den Fersen. »Also, was zum Teufel soll das alles?« wollte der Dekan wissen. »Der Schatzmeister ist an allem schuld ...«, fing der Obertutor an, doch der Praelector, mit dem, wie es dem Dekan schien, während seiner Abwesenheit eine bedeutsame Änderung vorgegangen war, unterbrach ihn.
»Die Angelegenheit ist viel zu wichtig, um Schuldzuweisungen vorzunehmen«, sagte er, »und außerdem bin ich mir gar nicht sicher, ob wir dieses Thema in der Öffentlichkeit besprechen sollten.« Sie gingen direkt in die Zimmer des Obertutors, wo Dr. Buscott das Tonbandgerät aufgestellt und dem Obertutor gezeigt hatte, wie man die Bänder wechselte.
Den ganzen Vormittag über hörte sich der Dekan mit wachsendem Entsetzen und immer größerer Verblüffung den Bericht an, den vor allem der sicherlich besser informierte und zweifellos rationalere
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