Bloody Mary.
übrig.«
»Das werden wir sehen«, sagte der Dekan. Während des Mittagessens sah er sehr gut, was der Praelector gemeint hatte. Der Schatzmeister verweigerte plötzlich die Annahme ganz exquisiter Koteletts, was er damit begründete, er wolle verdammt sein, wenn er das Lamm Gottes äße. Der Dekan betrachtete ihn argwöhnisch. Offensichtlich war der Schatzmeister wirklich höchst verwirrt und nahm kein Blatt mehr vor den Mund.
Doch der Kaplan griff das Thema auf. »Von der Dogmatik her ist das ein sehr interessanter Punkt«, sagte er. »Beim Abendmahl werden wir aufgefordert, den Leib Christi zu essen und sein Blut zu trinken. Das hat unser Herr beim letzten Abendmahl vorgeschlagen.«
»Mittagessen«, sagte der Schatzmeister und spielte dabei irritierend mit seinem Messer herum.
»Mittagessen?«
»Beim letzten Mittagessen vorgeschlagen«, blaffte der Schatzmeister. »Wenn man ein Abendmahl haben kann, warum zum Teufel sollte es dann kein Mittagessen geben?« Einen Moment lang herrschte eine beklommene Stille, doch der Schatzmeister war noch nicht fertig.
»Außerdem ist es ein mächtiger Unterschied, ob einem irgendein Keks auf die Zunge gelegt wird, oder ob man sich durch einen Teller voller Hammelfleisch frißt. Und wozu ist die Pfefferminzsauce da?«
»Die Pfefferminzsauce? Mein lieber ...« »Ich wird’s Ihnen verraten«, sagte der Schatzmeister wütend. »Sie soll den Lammgeschmack überdecken.« Der Kaplan nickte. »Da ist etwas dran, ja«, sagte er, »auch wenn ich ehrlich gesagt finde, daß es zu weit geht, wenn man Pfefferminzsauce über ein Kotelett kippt. Ein Kotelett schmeckt immer besser au naturelle oder mit frischen Erbsen ...« »Nicht dieses Lamm. Das Lamm Gottes, du lieber Himmel«, schrie der Schatzmeister. »Die Pfefferminzsauce überdeckt den Geschmack von ...«
»War eine interessante These«, überlegte der Kaplan, als man den Schatzmeister weggebracht hatte.
»Welche? Ich fand sie alle uninteressant«, sagte der Dekan. »Und mir hat nicht sehr gefallen, wie er seine Thesen mit dem Messer unterstrichen hat.«
»Die über das letzte Mittagessen«, sagte der Kaplan, »oder auch Abendmahl. Für mich war das Abendessen immer ein eher dürftiges Mahl, eigentlich eher ein Imbiß. Aber wenn man gekreuzigt wird, möchte man vermutlich nichts übermäßig Schweres zu sich nehmen.«
»Herr im Himmel«, sagte Dr. Buscott angewidert. »Ganz genau«, fuhr der Kaplan fort. »Von IHM war gerade die Rede. Höchst merkwürdiger Bursche, wie ich immer fand.
Ich habe mich oft gefragt, was aus ihm wohl geworden wäre,
wenn er als Student nach Porterhouse gekommen wäre.« »Er hätte sich nützlich machen und dem Schatzmeister helfen können. Damit der wieder normal wird, braucht es schon ein Wunder«, sagte der Obertutor und nahm sich eins der Koteletts, die der Schatzmeister abgelehnt hatte.
Am anderen Ende des High Table saßen Purefoy Osbert und der Bibliothekar und aßen schweigend.
»Führen die sich immer so auf?« fragte Purefoy. »Sie sind immer ausgesprochen seltsam, aber so etwas habe ich noch nie erlebt«, antwortete der Bibliothekar. »Wie’s scheint ist in letzter Zeit der ganze Laden hier durchgedreht. Seltsamerweise hatte man bei dem Schatzmeister immer das Gefühl, er wäre der Zurückhaltendste von allen.« »Und wer ist der kleine Rundliche mit dem roten Gesicht?« »Das ist der Dekan«, antwortete der Bibliothekar. »Der kleine zornig aussehende Mann. Mit dem sollte man sich nicht anlegen, schon gar nicht, wenn er schlecht gelaunt ist, und so wie er aussieht, ist er zur Zeit nicht besonders guter Stimmung.« »Und wer ist der großgewachsene schmale Bursche?« fragte Purefoy.
»Das ist der Praelector. Der ist eigentlich ganz in Ordnung. Sehr alt, aber für Porterhouse relativ gebildet«, sagte der Bibliothekar. »Als kleinste Leuchte von allen gilt der Obertutor, aber ich weiß nicht recht, ob er sich nicht verstellt. Bei den leitenden Fellows läßt sich das schwer sagen. Die spielen ständig irgendwelche Spielchen und gerieren sich als Volltrottel, bis man plötzlich herauskriegt, daß sie einen für einen Idioten halten, weil sie einen reingelegt haben. Doch irgendwie ist ganz Cambridge so. Alle sind so unglaublich ehrgeizig. Mich stört das nicht weiter, schließlich ist ein Bibliothekar nur so was wie ein Fellow ehrenhalber, und ich esse kaum einmal im Speisesaal. Doch von Ihnen als Sir-Godber-Evans-Gedächtnis- Fellow erwartet man das wohl, und da müssen Sie durch.
Weitere Kostenlose Bücher