Bloody Mary.
sein lästiger Beutel faßte. Oder weit mehr, wenn er draußen im Freien war und der Beutel vom Schlauchende abgenommen und unter der auf seinen Knien liegenden Decke verborgen wurde, wo er auch die Flaschen mit dem Ale versteckt hatte. Wie Arthur erklärte, der seinen Biergeschmack teilte: »Da draußen auf dem Rasen können Sie immer mal ein Leck haben, ohne daß es einer merkt. Wenn Sie eine Hündin wären, wär das was anderes, Mr. Skullion, aber das sind Sie ja nich. Sie sind ’n alter Rüde.« Bei diesem Kompliment hatte Skullion gelächelt. »Hündinnenpisse hinterläßt nämlich Spuren auf Gras«, fuhr Arthur fort, »aber Hundepisse nicht. Das weiß ich genau, weil mein alter Dad drüben in Hardingley Hundezüchter war, und die alte Mrs.
Scarbell machte immer einen Mordsaufstand, wenn eine Hündin auf den Rasen gepinkelt hatte. ›Was denkst du dir bloß dabei, Arthur?‹ sagte sie zu meinem Vater, von dem ich den Vornamen habe. ›Du weißt doch, daß nichts wächst, wo eine Hundedame Wasser gelassen hat.‹ Und dann sagte mein alter Dad ...« Solche Qualität hatten die Gespräche, auf die Skullion angewiesen war, um nicht das letzte bißchen Interesse am Leben zu verlieren. Und auf seinen täglichen Konsum von Hardy’s Special Ale nebst der Erinnerungen, die das Bier aus der Versenkung zu locken schien. Jeden Tag kam der Koch auf einen Plausch vorbei oder brachte ihm, wenn es am High Table etwas ganz Besonderes zu essen gab, ein Häppchen. »Ich wußte, das würde Ihnen munden, Mr. Skullion, und ich hab’s in kleine Stückchen geschnitten, damit es sich leichter kauen läßt«, sagte er, worauf Skullion erwiderte: »Sehr hübsch, Smutje, sehr lecker. Wenn ich mich recht entsinne, waren Sie immer der beste Chefkoch in diesem oder sonst irgendeinem anderen College, und der alte Dingsbums drüben in Trinity war wirklich sehr gut.« Fast täglich brachte der Koch ein paar Wachteleier vorbei, auch wenn sie nicht auf der Speisekarte der Fellows standen, weil Skullion sie so gern mochte und sie leicht rutschten.
Die meisten dieser kleinen Begegnungen verwandter Geister fanden außer Sichtweite des übrigen Colleges statt, nämlich um die Ecke am anderen Ende des Labyrinths, doch Purefoy Osbert konnte von seinem Arbeitszimmer auf das untere Ende des Rollstuhls sehen. Fasziniert beobachtete er, wie der Koch in weißer Mütze und Jacke den Rasen überquerte, in den Händen ein großes silbernes Tablett mit Speisen samt darübergelegter tadellos gebügelter Serviette. Und nicht minder interessant fand er den Anblick des Rektors, wenn der bis spätnachts an die große Birke gelehnt unendlich geduldig das mit den mächtigen drehbaren Domen gespickte Hintertor beobachtete, über das nie jemand kletterte. Ihm schien es, als werde er Zeuge eines uralten Porterhouse-Rituals, das die Jahrhunderte überdauert hatte. Und immer fragte sich Purefoy, was hinter der Eibenhecke des Labyrinths geredet wurde und was er durch Lauschen erfahren könnte. Schließlich gewann seine Neugier die Oberhand, und eines Abends vor der Essenszeit, als Skullion noch sicher im Rektorenhaus weilte, schlenderte Purefoy Osbert unauffällig durch den Rosengarten, machte außer Sichtweite des Hauses kehrt und betrat das Labyrinth. Es war zwar kein großes, aber äußerst kompliziert angelegt, und die Eibenhecke war alt und dicht. Purefoy brauchte zwanzig Minuten, um an die Ecke zu gelangen, hinter der Skullion nachmittags saß, wenn der Koch seine Gaben vorbeibrachte. Purefoy Osbert hockte sich hin und wartete.
Er mußte eine Stunde ausharren, bis sich der Rektor eigenhändig ins Freie rollte und nur einen oder zwei Meter entfernt mit seinen Flaschen Ale und der Erinnerung an ein verlorenes Porterhouse Stellung bezog. Doch an diesem Nachmittag hatte er schlechte Laune. Er war mit der Schwester aneinandergeraten, die darauf bestanden hatte, ihn zu baden. »Es ist zwecklos, mich anzuknurren, Rektor«, hatte sie gesagt, »so dürfen Sie nicht stinken. Sie werden gebadet und bekommen frische Kleidung. Ihr alter Anzug gehört in die Reinigung, und wenn es nach mir ginge, in den Müllverbrenner. Na dann, runter mit dem Jackett und ...«
Von der Schwester gebadet zu werden, war Skullions schlimmster Augenblick der ganzen Woche. Es war der Gipfel der Demütigung. Seiner Kleider und der Melone auf seinem Kopf beraubt, der Insignie seines Chefpförtneramtes, die er nicht einmal als Rektor abgelegt hatte, war er mehr als nur ausgezogen; er fühlte sich
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