Bloody Mary.
etwas anderes. Mr. Skullion war nicht nur irgendein alter Rektor von Porterhouse, sondern Mr. Skullion, der Chefpförtner, was für Arthur, den Koch und alle anderen Collegebediensteten, die ihn noch aus seiner Glanzzeit kannten, weit mehr bedeutete. Und es ging tiefer, viel, viel tiefer als das. Denn Mr. Skullion war Mr. Skullion, der immer alles korrekt gemacht und nie gelogen hatte, außer wenn er jemand anderen oder den Ruf des Colleges retten mußte. Für Porterhouse hätte er sein Leben gegeben, keine Frage, das stand felsenfest. Als Chefpförtner hatte er die jungen Gentlemen auf Vordermann gebracht. »Sie sollten sich mal die Haare schneiden lassen, Mr. Walker«, hatte ihn Arthur einmal zu einem Anfangssemester sagen hören. »Wir können schließlich nicht zulassen, daß man über Porterhouse behauptet, hier wimmele es nur so von kleinen Schwuchteln wie in King’s, stimmt’s, Sir? Und falls Sie knapp bei Kasse sind, Sir, hier ist eine halbe Krone, die schreibe ich Ihnen an.« Und genauso hatte er es mit jedem Collegebediensteten gehalten, der zurechtgewiesen werden mußte, und ihm gesagt, er solle seine Arbeit ordentlich und korrekt machen, egal, worum es gerade ging. »Ordnung ist das halbe Leben«, war Mr. Skullions Wahlspruch gewesen, und falls es ein Wort gab – und das gab es –, das er häufiger als alle anderen benutzt hatte, dann das Wörtchen »korrekt«. Mr. Skullion war korrekt und ordentlich. Und wenn er sich jetzt ordentlich besaufen wollte, würde ihn Arthur nicht daran hindern. Mr. Skullion war sein eigener Herr, und von der Sorte gab es nicht mehr viele, weder in Cambridge noch sonstwo. Daher ging Arthur nach einem nur ganz kurzen Moment des Zögerns ins Rektorenhaus, kam mit den Flaschen wieder und stellte sie geöffnet auf das Tablett unter der Decke in Skullions Reichweite. Er sagte nichts weiter als: »Ist alles in Ordnung, Mr. Skullion?« Und der hatte mit einem merkwürdigen Blick erwidert: »In Ordnung, Arthur? In Ordnung? Mit mir ist alles in Ordnung. Bei den anderen stimmt es nicht.« Und als Arthur wieder ins Haus gegangen war, hatte er Skullion rufen hören: »Und danke sehr, Arthur, vielen Dank«, was nur korrekt war.
In drei Meter Entfernung hinter der Eibenhecke saß Purefoy Osbert im moosigen Gras und wünschte, er könnte sich bewegen. Allmählich bekam er selbst Hunger, und erfahren hatte er gar nichts, außer daß der Rektor Halbe trank und weder sein Dinner essen noch zum Tee die Krusten von seinen Gurkensandwiches abgeschnitten haben wollte. Über ihm verdunkelte sich der Himmel – im Labyrinth war es bereits ziemlich düster –, doch Skullion saß immer noch da und mit ihm Purefoy Osbert, und jeder hielt eine Wacht, die der andere nicht verstanden hätte. Und sie waren immer noch da, als der Dekan nach zehn Uhr abends aus dem Gemeinschaftsraum kam und zum Rektorenhaus ging. Er hatte gut gespeist, mit dem Obertutor noch ein Gespräch über Dr. Osbert geführt und ihm – ohne irgendwelche Einzelheiten zu nennen – versichert, er brauche sich keine Sorgen mehr zu machen, die Sache werde erledigt. Jetzt wollte er mit Skullion reden, um ihn davor zu warnen, mit dem neuen Fellow zu sprechen. Skullion schien ihn nicht kommen zu hören.
Die Schritte des Dekans auf dem Rasen waren leise, und erst als er am Labyrinth vorbeikam, bemerkte auch er die dunkle Gestalt hinter sich und hörte eine Flasche klirren. »Lieber Himmel, Rektor«, sagte er, »was machen Sie denn hier draußen?« Es war eine alberne Frage. Skullion saß fast jeden Abend im Freien, wenn auch gewöhnlich am hinteren Tor. »Sitzen«, sagte Skullion noch undeutlicher als sonst. Ein Hauch von Hardy’s Special Ale wehte zum Dekan herüber. »Sitzen und denken.«
»Sie sitzen und trinken?« Der Dekan interpretierte das Wort,
wie es ihm paßte. Es war eine unkluge Bemerkung. »Sitzen und denken und trinken«, sagte Skullion, und sein Tonfall war weder freundlich, noch enthielt er den Respekt, den der Dekan gewöhnt war. Es gehörte sich nicht, daß ein ehemaliger Pförtner so mit ihm sprach.
»In erster Linie trinken, so wie sich’s anhört«, sagte der Dekan.
»Nein, denken. Das Trinken ist meine Sache, nicht Ihre. Es ist mein gutes Recht.«
»Natürlich, Rektor, natürlich«, sagte der Dekan rasch. Er merkte, daß er zu weit gegangen war. »Sie dürfen trinken, soviel Sie wollen.«
»Und denken«, sagte Skullion.
»Das natürlich auch«, bestätigte der Dekan. »Und worüber haben Sie
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