Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
wollt, werd ich’s auch tun. Wollen Sie wissen, warum?«
    »Nein, Skullion, nein«, flehte der Dekan. Doch Skullion war bereit zum Gnadenstoß. »Weil ich es war. Ich habe den Mistkerl umgebracht, ob es Ihnen nun paßt oder nicht.«
    Und ehe der Dekan noch etwas sagen konnte, hatte der Rektor den Knopf an seinem Rollstuhl gedrückt und rollte erbittert auf das Rektorenhaus zu, eine Spur leerer Bierflaschen auf dem Rasen hinter sich zurücklassend.
    Purefoy Osbert hatte vergessen, wie kalt ihm war. Das soeben Gehörte hatte ihn fast ebenso fassungslos gemacht wie den Dekan, der immer noch dastand wie angewurzelt. Durch die Eibenhecke sah Purefoy einen Teil von ihm, der sich gut sichtbar vor dem beleuchteten Rektorenhaus abhob, und immer noch bewegte er sich nicht. Während eines langen Lebens voller College-Intrigen und bitterer Konkurrenz war der Dekan noch nie so gründlich ausmanövriert worden. Ausmanövriert war das falsche Wort. Skullion hatte gar nicht manövriert: mit Zähnen und Klauen hatte er seine Schlacht geschlagen. Und mit dem Hirn. Und der Dekan war vernichtet. Von der geballten Macht der Skullionschen Verbalattacke war er in den Staub gezwungen und gedemütigt worden. Und all das durch einen weitgehend gelähmten Mann im Rollstuhl, der etliche Flaschen Ale intus hatte und lediglich ein Collegebediensteter war. So hatte ihn der Dekan immer gesehen. Jetzt wußte er es besser. Skullion hatte die Wahrheit gesagt und sonst nichts. Er war tatsächlich der Rektor von Porterhouse. Fünf Minuten vergingen, bis sich der Dekan soweit erholt hatte, daß er über den Rasen davonstolpern konnte. Wo Skullion gesessen hatte, trat er in eine feuchte Stelle, merkte es aber nicht. In seiner Verfassung konnte er kaum noch klar denken, und die wenigen bitteren Überlegungen, zu denen er imstande war, galten anderen Dingen.
    Daß der Dekan ging, war für Purefoy Osbert eine gewisse Erleichterung. Nur eine gewisse, denn er war dermaßen steifgefroren, daß er sich nur unter Schwierigkeiten aufrappelte und eher taumelte, als daß er ging. Zum Taumeln war das Labyrinth nicht der geeignete Ort. Es war stockfinster, und Purefoy konnte zwar diffus den Nachthimmel und den Schein der Lichter von Cambridge erkennen, die einen matten Schimmer im Dunkeln abgaben, aber sonst nichts. Es war ihm schon schwer genug gefallen, durch das Labyrinth bis zu der Stelle vorzudringen, wo Skullion gesessen hatte. Wieder herauszufinden erwies sich als unmöglich. Immer und immer wieder glaubte er, kurz vor dem Ziel zu sein, weil er durch die äußeren Eiben beleuchtete Fenster sah, nur um sich dann in derselben Ecke wiederzufinden, aus der er aufgebrochen war. Irgendwo in der Nähe schlug die Uhr am Bull Tower Mitternacht. Zum xtenmal versuchte Purefoy, sich den Weg ins Gedächtnis zu rufen, auf dem er hereingekommen war. Er war nämlich bis fast zum Mittelpunkt des Labyrinths gegangen, dann links und gleich darauf rechts abgebogen, und nach ein paar Metern ging es dann wieder links herum ... oder doch rechts? Aber eigentlich war das völlig egal. Er hatte keine Ahnung, wo er anfangen und in welche Richtung er gehen mußte. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Mit ausgestreckten Händen tastete er sich den Weg entlang und stieß in plötzlichen Sackgassen gegen die Eibenhecke, so daß er kehrtmachen und einen anderen Weg finden mußte. Die Uhr schlug eins, dann zwei, und Purefoy mußte sich setzen und eine Weile zittern, bis ihn die Kälte und die Angst vor einer Lungenentzündung wieder auf die Füße zwangen, nur um dann eine weitere Stunde lang durch die Dunkelheit zu stolpern. Erst weit nach drei stieß er mitten ins Zentrum des Labyrinths vor. Jedenfalls glaubte er das. Mit Sicherheit ließ es sich nicht feststellen. Er befand sich in einer weiteren Sackgasse. Oft genug hatte er daran gedacht, sich durch die Hecke einen Weg nach draußen zu bahnen, doch die Eiben waren alt und an den Ecken in gestaffelten Dreierreihen gepflanzt worden, so daß man sich unmöglich zwischen den dicken Stämmen durchzwängen konnte.
    Er versuchte sogar zu klettern, war aber noch nie ein großer Sportler gewesen, und die Kälte hatte ihm das letzte bißchen Kraft aus den Armen geraubt. Ohnehin gab es keine einzelnen Äste, die man hätte packen können. Er war in einem Eibendickicht. Und in einem Dickicht aus Angst. Er hatte ein paar Meter von einem Mörder entfernt gesessen und sein Geständnis mitangehört, wenn man Skullions Enthüllung so nennen

Weitere Kostenlose Bücher