Bloß keine halben Sachen: Deutschland - ein Rollstuhlmärchen (German Edition)
Es nützt mir nichts, ein Möbelstück
platzsparend hoch aufzuhängen oder es abseits in einer Ecke zu verstauen, weil ich es dann eigentlich gar nicht nicht benutzen kann. Auch Teppiche lasse ich am liebsten weg, denn das sind vorprogrammierte Stolperfallen, die vorzugsweise nachts aktiv werden, wenn man schlecht sieht, sein Kind noch mal zudecken möchte oder noch mal ins Bad muss.
Ich schlendere gerne mit meiner Freundin Annika durch Möbelhäuser. Nicht zuletzt, weil ich vor dem Kauf im Geschäft testen kann. Die ganz großen Möbelhäuser sind in der Regel barrierefrei, weil man hier auf junge Familien eingestellt ist. Und junge Familien haben häufig Räder. Nämlich am Kinderwagen. Das heißt, es gibt Parkplätze direkt vorm Eingang, großzügige Fahrstühle, die mich in jede Etage bringen. Dann geht es auf schönen planen Gängen und meist glatten Böden weiter zu den Angeboten. In Möbelhäusern kann ich flanieren und schauen, ob ich etwas für mein Castle finde. Bei jedem Wetter. Eine tolle Sache. Möbelhäuser sind oft eingerichtet wie kleine Wohneinheiten. Da bekommt man nicht nur eine erste Idee, wie man es zu Hause selbst machen könnte, sondern ich kann gleich ein paar »Proberunden« um die Möbel drehen, um zu sehen, ob ich damit zurecht komme. Wie viel Abstand bleibt da rechts und links? Und wie ist der Radius bei dieser Schranktür, wenn sie sich öffnet? Reicht das oder versperrt sie mir dann den Zugriff zu einer Schublade?
Natürlich gucken die Leute manchmal ein bisschen komisch, wenn ich auf einer Couch probesitze. Aber ich nehme das augenzwinkernd hin, und ehrlich gesagt bemerke ich es meist auch gar nicht. Aber wenn es passiert, ist es immer eine gute Gelegenheit, mit Menschen in Kontakt zu kommen, Berührungsängste abzubauen und vielleicht auch Fragen zu beantworten, wenn dein Gegenüber den Mut hat, die Frage überhaupt zu stellen. Ich mag solche Begegnungen. Und natürlich sollen die Leute auch mitbekommen, dass Menschen mit Handicap genauso schöne Möbel für ihre Wohnung suchen. Ich bin mir sicher, auch da gibt es noch viele Vorurteile und Klischees.
Viel schwieriger gestaltet sich die Suche zumeist, wenn es um das Wohnobjekt der Begierde selbst geht. Ein Makler sollte hierbei wohl der richtige Ansprechpartner sein. Zumindest in der Theorie ... Tatsächlich wurde meine Suche nach Wohneigentum zu einer regelrechten Odyssee. Wer einen Makler mit der Suche nach einer Wohnung zum Kauf beauftragt, die »schwellenlos« zu begehen ist, und dieser sogar weiß, dass sein Kunde Rollstuhlfahrer ist, bedeutet das leider noch lange nicht, dass die Objekte, die der Makler einem daraufhin anbietet, dieses Kriterium auch tatsächlich erfüllen.
Ich erwartete ja gar nicht, dass man mir sofort das Behindi-Traumschloss präsentiert, an dem ich nichts mehr verändern muss. Aber es hatte den Anschein, als hätte ich in dem Moment, in dem ich beschrieb, wie eine solche Wohnung auszusehen hat, einen Lappen im Mund gehabt. Der Makler konnte mich einfach nicht verstanden haben! Das merkte ich aber natürlich erst, als ich die Objekte besichtigte. Während der Hochzeit meiner Bemühungen, eine Wohnung zu kaufen, hatte ich ca. zehn Besichtigungstermine pro Woche. Das war natürlich neben dem Arbeitsalltag sehr anstrengend. Und umso ärgerlicher, wenn man hinkam und die Gebäude einfach nicht die notwendige Grundausstattung für mich aufwiesen.
Das erste Objekt, das ich mir »anschaute«, konnte ich nicht betreten, weil ich vor dem Eingang leider fünf Stufen erblickte, die ich vielleicht hätte hochfliegen können, nur fehlen mir leider ein Paar Flügel. Der Makler, der von Menschen mit Behinderung soviel Ahnung hatte wie eine Kuh vom Eislaufen und wohl auch nicht zugehört hatte, meinte nur: »Man könnte ja eine Rampe hinbauen.« What?! Eine Rampe hinbauen? Wie lang soll die denn werden, damit ich da noch hoch komme? Von hier bis nach Timbuktu? Oh man! Es waren grade mal
drei Minuten vergangen und ich war schon am Ende meiner Geduld angekommen. Dennoch versuchte ich, ruhig zu bleiben, und dachte mir: »Jeder Mensch bekommt bei dem angeborenen Gen Unwissenheit eine zweite Chance«. So versuchten wir es ein paar Tage später noch einmal. »YES!«, dachte ich da, als ich vor dem Objekt stand und auch noch rein kam. Wohnung schön hell, groß genug, Türbreiten sehr komfortabel, aus dem Badezimmer könnte man einen Spa-Bereich machen – aber was war das? Zur eigentlichen Terrasse und zum Garten musste
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