Bloß keine halben Sachen: Deutschland - ein Rollstuhlmärchen (German Edition)
man fünfzehn Stufen runter. Wo gibt’s denn so was, hier sind doch gar keine Berge? Meine Freude schwand. Sofort setzte ich meine Vorstellungskraft in Bewegung und dachte darüber nach, wie ich diesen Höhenunterschied ausgleichen könnte. Aber bei dem Gedanken daran, dass ich die Masse des Mount Everest dafür hätte opfern müssen, wurde das Bild von dieser Wohnung extrem unscharf.
Die nächsten drei Makler, die ich in den Folgewochen kennen lernen durfte, hatten sich wohl in ihrer Auffassungsgabe mit dem ersten Kandidaten abgesprochen. Und so wurde es ein Kraftakt, der mich im Nachhinein sicher ein Jahr meines Lebens gekostet hat. Zu guter Letzt traf ich aber doch noch einen Makler, der mir aufmerksam zuhörte und mit dem ich mich schon im Vorfeld lange darüber unterhielt, was alles machbar ist und was gar nicht geht. Ich fand mit ihm die Wohnung, in der ich noch heute lebe. In der musste ich zwar einige Veränderungen vornehmen, aber sie war von Anfang an so, dass aus ihr etwas werden konnte. Jedenfalls für meine Ansprüche.
Veränderungen. Umbauten. Weitere Probleme! Wie komme ich in diese Schranknische? Gehen auch zwei Geschosse? Wie komme ich dann nach oben? Und wie komme ich durch die zu enge Tür zum Balkon?
Inzwischen gibt es Firmen, die sich genau mit derartigen Fragen beschäftigen. Wie sollte beispielsweise das Bad eingerichtet sein, damit man nicht nur die Dusche, sondern auch das Waschbecken und das WC mit ausreichend Platz nutzen kann und alles noch ergonomisch angeordnet ist? Rangieren muss man können! Es gibt ein paar Firmen, die auf derartige Anforderungen besonders eingehen. Ich selbst machte bei der Herrichtung meiner Eigentumswohnung, die hier und da umgebaut werden musste, sehr gute Erfahrungen mit diesem Service. Schon nach dem ersten Eindruck war ich begeistert. Ich fühlte mich abgeholt, wirklich beraten und nicht so, als ob man mir etwas aufschwätzen wollte. Alles passierte in enger Abstimmung mit dem Bauherrn, wie es so schön heißt, und das war ich. Man präsentierte mir viele nützliche Extras und Funktionen, von denen ich bis dato noch nichts gehört hatte, und ich war begeistert, wie einfach das Händewaschen auf einmal war, als ich das Waschbecken unterfahren konnte. So viel Luxus kannte ich vorher nicht aus meinem häuslichen Bereich. Das ist wohl der kleine, aber feine Unterschied von Eigentum.
Zu diesem »Schnickschnack« gibt es heute spannende Messen wie die IRMA in Bremen. Hier kann man sich informieren und begeistern lassen von kreativen Ideen und Problemlösungen für den speziellen Bereich der Konzipierung und Umsetzung von barrierefreiem Wohnraum. Menschen mit Behinderung können in großen Hallen bestaunen und ausprobieren, welche Neuerung für ihre Wohnung nützlich wäre und zu ihrer ganz individuellen Behinderung passt. Grenzen gibt es da mittlerweile kaum noch. Von der Küche mit elektrisch herunter fahrenden Hochschränken über einen »Roboterarm«, der einem die Teller auf den Schoß legt, bis hin zu einer Riesenauswahl
an unterschiedlichen Toilettensitzen kann man hier alles finden.
Übrigens, so wichtig, wie es ist, den richtigen Architekten zu wählen, so wichtig ist es auch, eine Liste der richtigen Handwerker zu haben, die den Um- oder Einbau von solchen »Spezialgerätschaften« beherrschen. Denn nicht jeder, der sich mit Sanitäranlagen auskennt, weiß auch, wie der Bedarf für eine barrierefreie Wohnung aussieht und welches Abmaß zwischen den einzelnen Komponenten einzuhalten ist. Nicht alles, was flach ist, ist schon barrierefrei. Es sind also aufwändigere Recherchen und Gespräche notwendig, wenn man ein Haus baut oder etwas umbauen möchte. Und man kann sich darauf gefasst machen, dass man immer wieder mit Handwerkern zu tun hat, die behaupten, hundertprozentige Fachmänner auf dem Gebiet zu sein, die sich dann jedoch als kompletter Totalausfall herausstellen. Das ist ärgerlich und kann schnell Zeit und vor allem Geld kosten. Aber mit ein paar schlauen Fragen am Telefon können Sie sehr schnell heraus finden, um was für einen Fachmann es sich handelt. Gehen Sie ruhig auch mal ins Detail:
Welche Art von barrierefreiem Umbau haben Sie bereits durchgeführt?
Für welchen Typ von Behinderung hat das stattgefunden?
Verlief alles reibungslos oder gab es Schwierigkeiten bei der Umsetzung?
Welche Produkte haben Sie verwendet?
Kann man sich das Ergebnis vielleicht anschauen, sprich haben Sie es bildlich dokumentiert?
Wenn Sie diese Fragen vorab
Weitere Kostenlose Bücher