Blow Out (German Edition)
Franklins arrogante Sekretärin einen viel zu engen Rock für ihre dicken Schenkel, und die Bluse spannte gefährlich über ihrer gewaltigen Silikonoberweite. Ihre Frisur sah aus wie ein Vogelnest. Liz Coleman konnte Emma nicht ausstehen, was ohne Frage auf Gegenseitigkeit beruhte.
»Üblicherweise klopft man an«, sagte Liz Coleman.
»Ich muss Franklin sprechen. Sofort.«
»Erwartet er Sie?«
»Ja.«
»Einen Moment.« Sie tippte an ihr Headset. »Miss Fisher ist hier und möchte Sie sprechen.« Sie bedachte Emma mit ihrem typisch arroganten Blick und sagte dann: »Sie können eintreten.«
»Natürlich kann ich das.« Während Emma an Liz Coleman vorbeirauschte, meinte sie für einen Moment, auf deren Gesicht die Andeutung eines höhnischen Lächelns zu bemerken.
9
Franklins riesiges Büro erschien Emma jedes Mal aufs Neue übertrieben protzig. Sämtliche Möbel waren aus gemasertem italienischem Walnussholz gefertigt, dessen leicht rötliche Färbung dem Raum ein warmes Ambiente verlieh. Gegenüber dem wuchtigen Schreibtisch befand sich eine Sitzgruppe aus dunkelbraunem Leder. Neben diversen Holografie-Kunstdrucken hingen mehrere 3D-Monitore an den Wänden, auf denen die üblichen Nachrichtenkanäle liefen.
Leland Franklin stand vor einer Glasvitrine, in der sich eine beachtliche Auswahl an alkoholischen Getränken befand. Sein anthrazitfarbener Designeranzug saß wie immer perfekt. Die grauen Haare hatte er pedantisch zurückgekämmt, wodurch seine ausgeprägten Geheimratsecken deutlich zutage traten. Wie um diese Uhrzeit üblich, überzog ein Bartschatten seine Wangen. In seiner rechten Hand hielt er ein Glas, gefüllt mit einer kristallklaren Flüssigkeit: vermutlich Hendricks Gin, Franklins bevorzugtes Getränk.
»Wie sehen Sie denn aus?«, begrüßte er sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie mich in dieses verdreckte Archiv geschickt haben?«, konterte Emma. »Jemand sollte der Putzkolonne sagen, dass dieses Gebäude auch einen Keller besitzt.« Sie blickte ihm fest in die Augen. Franklin sollte ruhig merken, dass sie seinetwegen angefressen war. Mit einer knappen Handbewegung schaltete Franklin die Monitore aus und nippte an seinem Drink. Seine Hand zitterte leicht. Emma konnte die Eiswürfel im Glas klirren hören.
»Waren Sie erfolgreich?«, wollte er wissen.
Ohne Umschweife. Knapp und direkt. Irgendwie wirkte er anders als sonst; seine Augen waren rot unterlaufen. Dazu dieser gehetzte Ausdruck. Emma fühlte sich auf einmal unbehaglich.
Franklin war ihr plötzlich völlig fremd. Spontan entschied sie, etwas zu tun, was sie ihm gegenüber noch nie getan hatte. Sie log.
»Leider nein. Die Suche gestaltet sich schwieriger als erwartet. Ich werde morgen weitersuchen.« Sie mahnte sich zur Vorsicht. Der alte Mann war kein Dummkopf. Nicht auszudenken, wie er reagieren würde, sollte er ihre Lüge durchschauen.
»Ich habe Ihnen doch erklärt, der Ordner steht mittig in der zweiten Regalreihe, in einem der oberen Fächer.«
»Dort befindet er sich aber nicht. Außerdem sind die Beschriftungen unlesbar. Ich muss jeden Ordner aufklappen, um auf dem Deckblatt nach dem Aktenzeichen zu suchen.«
»Dieser verfluchte Ordner muss dort sein. Ich würde ihn ja selbst suchen, würde mich seit drei Tagen nicht wieder ein starker Schub plagen.« Wütend kippte er seinen Drink hinunter. Die Härte in seinem Gesichtsausdruck, vor allem aber die Kälte in seinen Augen waren untypisch für ihn. Franklin litt seit vielen Jahren an einer unheilbaren rheumatischen Gelenkerkrankung, die jede seiner Bewegungen schmerzhaft begleitete. Dazu kamen alle paar Wochen Schübe, die seine Schmerzen und seine Unbeweglichkeit weiter verschlimmerten. Hätte er sich nicht vor Jahren schon einer schmerzhaften Operation unterworfen, bei der man ihm an mehreren Stellen zuerst die Wirbelsäule gebrochen hatte, um sie mit Metallplatten in einer aufrechteren Stellung zu verschrauben, säße er längst im Rollstuhl.
»Ich werde die Akte morgen finden«, versicherte sie ihm und fügte bemüht lächelnd hinzu: »Ich hoffe, ich werde irgendwann erfahren, wofür ich heute meinen Hosenanzug ruiniert habe.«
»Eine private Angelegenheit.« Er winkte ab und lächelte. Doch nur mit dem Mund, nicht mit den Augen. Leland Franklin log genauso schlecht wie sie selbst. Er kannte den Inhalt dieser Akte ganz genau. Er wusste über die Morde Bescheid, dass sein Name in der Akte auftauchte und auch in welchem
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