Blow Out (German Edition)
zurück.
»Falls Sie es nicht bemerkt haben sollten: Das Wetter macht unsere Arbeit nicht gerade einfacher. Also verschonen Sie mich mit Ihren Vorwürfen und reichen Sie endlich den Koffer rüber.«
»Du kannst mich mal«, murmelte Nick und hievte den Koffer über die Sandsäcke, wo ihn der Soldat entgegennahm.
Der Communicator verstummte.
Nick kletterte ins Boot, ließ sich in den Schalensitz neben seiner Mutter fallen und legte die ihm angebotene Schwimmweste an. Sein Communicator meldete eine eingehende Videonachricht. Ziemlich ungünstiger Zeitpunkt. Auch wenn er neugierig war, das musste warten.
In Schrittgeschwindigkeit bewegten sie sich die Straße hinunter. Windböen rüttelten an dem Boot, und weiße Schaumkronen zerbarsten an dessen Bug. Nach kaum einer Minute waren Nicks Haare klatschnass. Er blickte zurück. Mit jedem Meter, den sie sich von seinem Elternhaus entfernten, wurde es kleiner, bis sie schließlich abbogen und es für immer aus seinem Blickfeld verschwand. Lena Schäfer schien in Gedanken weit weg zu sein. Registrierte sie überhaupt, was vor sich ging?
Er legte ihr die Hand auf die Schulter. »Alles klar?«
Keine Reaktion. Er versuchte gar nicht erst, sie aufzumuntern oder abzulenken. Niemand verdiente es, aus seiner Heimat vertrieben zu werden, schon gar nicht seine Mutter, deren Heimat alles war, was ihr seit dem Tod ihres Mannes geblieben war. Nun nahm man ihr auch das. Er vergewisserte sich, dass sie warm eingepackt und gut angeschnallt war, dann spielte er die Videonachricht ab.
Emmas Gesicht erschien auf dem Display. Sie zu sehen, versetzte Nick einen unerwarteten Stich. Die Sache mit ihnen beiden hatte so gut begonnen. Warum nur musste sie so eine Zicke sein?
»Hi. Ich bin’s«, sagte Emma. »Ich weiß, unser letztes, ähm, Zusammentreffen lief nicht sonderlich gut. Ich hoffe, du bist nicht mehr allzu sauer deswegen.«
Sieh an, doch eine Entschuldigung?
»Aber deswegen rufe ich nicht an.«
Aha, natürlich nicht.
»Hör mal, ich habe vielleicht eine Story für dich. Etwas Großes. Etwas richtig Großes. Ruf mich bitte so schnell es geht zurück.«
Eine Story? Das kam überraschend. Normalerweise führte Nick auf solche Ankündigungen hin Freudentänze auf. Heute aber ließ es ihn kalt. Insgeheim hatte er auf eine Entschuldigung gehofft, vielleicht sogar auf ein klein wenig mehr. Andererseits hatte sie ihn angerufen und keinen seiner Kollegen, was immerhin ein Anfang war. So schlecht konnten seine Aktien also nicht stehen. Er lächelte. Er würde Emma zurückrufen, sobald er seine Mutter versorgt wusste.
15
Randall T. Donovan raste durch die Nacht. In seiner pechschwarzen Dodge Viper Retro2000 flog er nur so über die um diese Uhrzeit ausgestorbene VIP -Fahrspur des Baltimore-Washington Parkway, der ihn quer durch den Bundesstaat Maryland in Richtung Washington führte. Den Autopiloten der Viper hatte Donovan deaktiviert – wie üblich, wenn er unter Strom stand. Das Dexedrinderivat in seinem Blutkreislauf putschte ihn auf und verführte ihn zu immer gewagteren Fahrmanövern. Er bleckte die Zähne und drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Brüllend beschleunigten die beiden 750-PS-Brennstoffzellen die Viper. Mit geweiteten Pupillen umklammerte Donovan das Sportlenkrad. Der fehlende kleine Finger an seiner linken Hand behinderte ihn dabei nicht. An diesen Makel hatte er sich längst gewöhnt.
Donovan hasste die Nacht. Nicht ihre Dunkelheit und auch nicht die Stille. Beides war Donovan zuweilen höchst willkommen. Er hasste die Nacht, weil sie ihn nicht schlafen ließ. Während andere Menschen die Augen zumachten und selig einschlummerten, kam er selten vor dem Morgengrauen zur Ruhe. Er steckte sich eine weitere Orbital zwischen die Zähne und biss zu. Feinstes Pulver betäubte seine Mundschleimhäute. Genauso sollte es sein. Ursprünglich hatte Donovan begonnen, Amphetamine einzuwerfen, um nach schlaflosen Nächten die tagsüber auftretende Müdigkeit auszuschalten. Rasch hatte er festgestellt, dass ihn das Zeug nicht nur wach hielt, sondern darüber hinaus seinem Job förderlich war, indem es für erhöhte Aufmerksamkeit und Konzentration sorgte. Er lachte, als er daran dachte, wie er zum ersten Mal die Forensikabteilung betreten hatte, die ihm praktisch unbegrenzten Zugriff auf ein beachtliches Arsenal an phantastischen Substanzen bot. Inzwischen kannte Donovan sich mit Drogen bestens aus. In seinem kleinen schwarzen Etui fand sich für jede Situation etwas
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