Blow Out (German Edition)
vielen Menschen dachte, die durch ihre eigene Regierung belogen und betrogen worden waren.
Unwillkürlich tastete sie nach ihrer Korallenkette. Ihre Schwester, Meredith, hatte Emma diese zu ihrem vierzehnten Geburtstag geschenkt, exakt eine Woche bevor irgendein gottverdammter Truckfahrer Meredith über den Haufen gefahren und sich unerkannt aus dem Staub gemacht hatte. Zeugen hatten berichtet, der Mann sei Schlangenlinien gefahren und habe weder gehupt noch gebremst, als er auf den Gehweg abgedriftet war und Emmas ältere Schwester in zwei Hälften geteilt hatte. Man hatte ihn nie erwischt. Merediths Tod hatte Emma hart getroffen. Sie hatten von klein auf ein sehr inniges Verhältnis zueinander gehabt. Emma hätte damals wie heute alles dafür gegeben, hätte man den Täter geschnappt und verurteilt. Die Gewissheit, dass dieser Mensch – dieser Mörder – nie zur Rechenschaft gezogen würde, war fast genauso schlimm wie die Tatsache, dass Meredith nicht mehr am Leben war. Wenn Emma eins hasste, dann Ungerechtigkeit.
Sie warf einen Blick auf die Akte. Nein, was diese Angelegenheit betraf, konnte sie keine falsche Rücksicht nehmen. Die Menschen besaßen ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren. Insbesondere die Angehörigen der Opfer. Diese Akte musste publik gemacht werden, und sie selbst würde dafür Sorge tragen. Ihr war klar, dass niemand sonst dafür in Frage kam. Das Problem dabei war nur, dass Emmas politische Karriere schneller beendet wäre, als sie piep sagen konnte. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Doch wie lauteten die Alternativen? Zu schweigen, wie es offenbar seit vierzig Jahren erfolgreich praktiziert wurde? Niemals hätte sie dies mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Allein der Gedanke an die ahnungslosen Angehörigen der Opfer reichte aus, um ihren Entschluss unumkehrbar in ihr Hirn einzumeißeln. Diese Menschen waren lange genug um die Wahrheit betrogen worden. Zudem wurde es verdammt noch mal endlich Zeit, dass die Schuldigen sich für ihre Taten verantworteten!
Was sie jetzt brauchte, war ein Plan, um ihre Idee in die Tat umzusetzen. Und jemanden, der sie dabei unterstützte. Ohne Hilfe würde sie die delikate Aufgabe, die vor ihr lag, niemals bewerkstelligen können. Doch wem konnte sie in dieser heiklen Angelegenheit vertrauen? Spontan fiel ihr nur eine einzige Person ein, die dafür in Frage kam. Na super. Ausgerechnet der größte Idiot auf Gottes Erden!
13
Emma aktivierte ihren Communicator. Sofort meldete das Gerät eine beachtliche Anzahl eingegangener Anrufe und Videobotschaften. Bis auf eine der angezeigten Rufnummern interessierte sie keine. Sie legte die Stirn in Falten. Vor gut einer Stunde hatte Franklin versucht, sie zu erreichen. Eine Nachricht hatte er jedoch nicht hinterlassen. Sie löschte seinen Anruf und konzentrierte sich auf den Mann, den sie brauchte, um ihren Plan durchzuziehen.
Nick Schäfer war Journalist. Er schrieb für das Ökomagazin Welt im Wandel . Die Chancen standen gut, dass Nick einiges über Mettrack und dessen Firmengeflecht wusste. Vielleicht war er in der Lage, Zusammenhänge zu sehen, wo Emma bisher nur Bahnhof verstand. In Bezug auf Nick gab es nur ein Problem. Sie hatte keine Ahnung, ob er nach der Sache von neulich überhaupt noch mit ihr reden würde.
Einen Versuch war es auf jeden Fall wert.
»Nick Schäfer!«
Prompt erschien auf dem Display ihres Communicators der Hinweis: Datei vor 28 Tagen gelöscht .
Richtig, damals hatte sie Nicks Nummer im Zorn gelöscht. Mist. Sie rief die Homepage von Welt im Wandel auf, tippte sich zu den Kontaktdaten der freien Mitarbeiter durch, fand Nicks Profil, und eine Sekunde später baute sich die Verbindung zu dessen Communicator auf.
Nervös fuhr sie sich durch die Haare. Was, wenn er tatsächlich nicht mehr mit ihr reden wollte? Nach der Nummer, die sie vor gut einem Monat im Troja, Berlins angesagtester Lounge-Bar, abgezogen hatte, lag das durchaus im Bereich des Möglichen. Andererseits trug ganz allein er die Schuld an dem Vorfall.
Sie verscheuchte die Erinnerung an diesen Abend. Nick würde mit ihr reden. Er musste! Spätestens wenn er erfuhr, was für eine Story sie ihm anzubieten hatte, würde er alles andere stehen und liegen lassen. Und was diese unangenehme Sache zwischen ihnen beiden betraf … nun, man würde sehen.
Nicks Mailbox meldete sich und schlug freundlich vor, Emma solle doch eine Videobotschaft hinterlassen. Flüchtig kam ihr der Gedanke, Nick könne ihren
Weitere Kostenlose Bücher