Blue (Horror / Mystery / Okkult) (Jake Sloburn Horrorthriller) (German Edition)
Internetadresse oder sowas. Keine E-Mail. Entweder ignoriert der Typ erfolgreich das Computerzeitalter oder er hat diesen Firlefanz gar nicht nötig, um an Kunden zu gelangen. Vermutlich Letzteres, was ihn mir irgendwie sympathisch macht.
Wir sind in einem alten Fabrikgebäude an der Vierzehnten, nur dass da mittlerweile kaum noch jemand arbeitet. Nicht, seit die andere Fabrik oben auf dem Hügel über der Stadt aufgemacht hat.
Könnte sein, dass in dem Gebäude noch andere Büros sind. Falls ja, sind alle, die da tagsüber arbeiten, vernünftigerweise längst im Bett. Es muss mittlerweile bereits früher Morgen sein. Wir haben jedenfalls das ganze Stockwerk für uns. Als wir das Zimmer betreten, ist es arschkalt. Scheint er nicht zu bemerken, also sage ich: »Ähm, Mr. Sloburn, Sir? Was ist eigentlich mit der Heizung?«. Er schaut mich einen Moment fragend an und dann geht er rüber zu den Heizkörpern und dreht sie auf. Von irgendwo tief unten aus den Eingeweiden der alten Fabrik klingt ein Bollern herauf, als ob irgendwelche großen Kessel zum Leben erwachen und erstmals seit Jahren wieder heißes Wasser durch die Leitungen pumpen.
Ich gehe rüber und stelle mich an den Heizkörper, der rasch heiß wird, um mir den Hintern aufzuwärmen. Allmählich wird auch die Temperatur hier drin erträglicher. Das Zimmer ist ganz schön spärlich eingerichtet, eigentlich nur ein einziger großer Raum, in dem früher die Maschinen gestanden haben müssen. Man sieht noch die Verankerung auf dem Boden, wo sie mal gegen Wegrutschen gesichert waren. Ich versuche, drauf zu kommen, was sie früher hier hergestellt haben, aber ich kann mich nicht erinnern. Drüben, bei den Fenstern, steht ein Monster von einem Bürotisch, so ein altes, schweres Ding mit Tausenden von Fächern, aus Eiche oder Mahagoni oder sowas. Davor und dahinter jeweils ein Stuhl, der hinter dem Tisch ist allerdings eher ein Sessel. So ein übertrieben großes Lederding mit Ohren und Armlehnen. Der Schreibtisch selbst ist komplett leer, bis auf ein Telefon (schwarz, und mit Wählscheibe) und eine kleine Lampe, auch so ein englisch wirkendes Ding mit 'nem grünen Schirm aus Glas. Sieht ziemlich edel aus, uralt und wertvoll. In der Ecke bei der Tür stehen ein paar Regale, 'ne riesige Ledercouch und ein Kaffeetisch. Drauf das einzige Anzeichen, dass hier tatsächlich jemand lebt. Ein großer Aschenbecher aus Glas, randvoll mit Kippen, alles selbstgedrehte.
Der Typ scheint mächtig stolz zu sein auf sein Talent zur Inneneinrichtung, steht beim Fenster und grinst sein Wäscheklammergrinsen, wartet, bis ich mir alles angeguckt habe. Dann geht er rüber in die andere Ecke, wo eine Tür ist und eine Wendeltreppe aus Stahl. Die Wendeltreppe ist recht hübsch, so ein verziertes Ding aus dem neunzehnten Jahrhundert, Unmengen kleine Bögen und Blumen und so'n Schmiedezeugs aus Metall. Er öffnet die Tür unter der Treppe. Dort ist ein kleiner Raum mit einem Bett, 'nem Schrank und einem Waschbecken. Er dreht das Wasser auf, um mir zu zeigen dass es geht. Ich sehe, dass da zwei Hähne sind, einer für Warmwasser. Aus der Wand. Kann es kaum fassen. Am Kopfende von dem Bett, das bequem und sehr einladend aussieht, ist 'ne Heizung, die dreht er jetzt auch auf.
Auf dem Bett liegen Klamotten. Ein Anzug, so einer aus robustem Stoff und ein dicker Wollpullover. Er macht den Schrank auf und da hängen noch mehr von den Hemden. Ein zweites Paar Hosen, Strümpfe, Unterwäsche und so'n Kram. Auf dem Boden stehen drei Kartons. Werden wohl Schuhe drin sein, brandneue wie's aussieht. »Oh, Scheiße.« sage ich. Was soll ich auch sonst sagen? Ich könnte heulen vor Glück, und wenn Sie mal in meiner Situation waren, werden sie's vielleicht verstehen. Das hier war für mich wie Ostern und Weihnachten auf einen Tag. Und dabei war noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher