Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
zu kratzen. Sie kratzte so lange an der Türe, bis
ihr ein Fingernagel abbrach. Weinend stecke sie ihren schmerzenden Zeigefinger
in den Mund und schmeckte Blut. Sie tastete mit der Zunge nach dem Nagel und
stellte fest, dass er so weit unten eingerissen war, dass es unmöglich schien,
ihn einfach abzukauen. Also ließ sie ihn erst einmal hängen, es war nicht
wichtig. Viel wichtiger war, dass sie eine Überlebensstrategie entwickelte. Sie
würde wahnsinnig werden, wenn sie nicht bald hier herauskäme.
Das
hier passiert gar nicht wirklich, es ist nur ein Traum , sie wimmerte und zog sich in eine Ecke ihres
Gefängnisses zurück, dort schlang sie die Arme um die Knie und wiegte sich
sanft hin und her. Sie begann, die Melodie eines Gute-Nacht-Lieds zu summen,
das ihr ihre Mutter als kleines Mädchen jeden Abend vorgesungen hatte. An den
Text konnte sie sich im Moment nicht mehr erinnern.
Allmählich
verblasste alles um sie herum und sie fiel unbemerkt in einen unruhigen, aber
traumlosen Schlaf.
17
Glücklich
draußen , dachte sich Beate und holte
erst einmal tief Luft. Die bedrückende Atmosphäre und die Dunkelheit in dem
Gebäude der Multi Gen Pharma hätte sie keine Sekunde länger ausgehalten.
Sie
griff zu ihrem Handy und rief ihren Chef an. „Die Sache stinkt gewaltig“,
platzte sie heraus, kaum dass er abgenommen hatte.
„Was
meinst du damit?“ Er war erstaunt, er hatte sich eigentlich nicht viel von der
Vernehmung der Institutsmitarbeiter versprochen.
Beate
fuhr fort: „Keiner sagt mir hier, woran die gute Frau Doktor gearbeitet hat.
Ihre Schwester hat irgendetwas von Regierung und Verteidigungsministerium
gefaselt und ich habe das, ehrlich gesagt, nicht so richtig ernst genommen. Es
klang mehr nach einem James Bond Film als nach der Wahrheit. Doch als ich bei
diesem Professor Alifonsi war und das beiläufig erwähnte, sind dem beinahe die
Augen aus dem Kopf gesprungen. Ich hatte ihn auch fast so weit, mir etwas mehr
zu erzählen, da rief ihn dieser Dr. Naumann an. Danach war Schluss. Er hat mich
rausgeworfen und mir auch nicht mehr gestattet, mit Naumann zu sprechen. Ich
wüsste nur zu gerne, was die da veranstalten.“
„Hmm.
Das ist in der Tat seltsam. Waren Roth und Stein schon dort?“
„Das
ist übrigens ebenfalls sehr merkwürdig. Die beiden waren bisher offensichtlich
weder im Labor noch in Dr. Schirrers Wohnung gewesen.“ Pause.
„Komm zurück. Wir müssen
reden“, lautete die knappe Anweisung, dann legte er auf. Eigentlich hatte Beate
sich zuerst noch etwas umsehen wollen, bevor sie zurückfuhr, und das tat sie
dann auch. Sie versuchte, um das Anwesen herumzugehen, doch sie kam nicht weit.
Der hohe Stacheldrahtzaun reichte zu beiden Seiten des Grundstücks bis in einen
Wald hinein, in dem undurchdringliches Dickicht herrschte, und sie musste
unverrichteter Dinge wieder umdrehen. Das gleiche Spiel fand auf der
gegenüberliegenden Seite statt. Dabei war sie sich die ganze Zeit über der
Kameras bewusst, die jeden ihrer Schritte einfingen. Sie konnte förmlich
spüren, wie sich die Blicke der Wachmänner in ihren Rücken bohrten, doch sie
versuchte es, so gut sie konnte, zu ignorieren. Eine seltsame Einrichtung war
das hier. Das Gelände hatte eine eigentümliche Form. Es schien eher länglich zu
sein, sodass man von außen wirklich keinerlei Ahnung davon bekommen konnte, wie
groß es tatsächlich war. Sie schrak zusammen, als ihr Handy klingelte. Pfeifers
Nummer erschien auf dem Display und sie beschloss, es zu ignorieren. Sie war ja
sozusagen bereits auf dem Weg. Schnellen Schrittes eilte sie zurück zu ihrem
Wagen.
Beate Scheck stammte nicht
aus Freiburg. Sie war gebürtige Schwäbin, aber sie fühlte sich trotzdem nach
fünf Jahren Aufenthalt in Baden bereits sehr wohl. Am Anfang hatte sie sich
ziemlich einsam gefühlt, doch das war nicht lange so geblieben. In ihrem Haus
wohnten hauptsächlich junge Leute und die hatten sich ihrer angenommen. So kam
es, dass sie heute bereits die meisten Ecken in Freiburg und Umgebung gut
kannte und sozial integriert war. Die Mentalität der Südbadener gefiel ihr. Die
heitere Gelassenheit und die viel gepriesene badische Gemütlichkeit konnte man
hier überall finden. Diese Einstellung unterschied sich in manchen Dingen sehr
von der Denkweise der Schwaben. Beate war von ihren Eltern, schwäbischen
Landwirten, zu ernsthaftem Arbeiten und Strebsamkeit erzogen worden, dennoch
fiel es ihr nicht schwer, umzudenken. Das Einzige, das sie wirklich
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