Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
käme,
weil sie noch für ihre Fortbildung packen müsse. Und sie hatte ihn daran
erinnert, dass sie erst morgen zurückkommen würde. Seltsam. Er konnte sich
nicht daran erinnern, das schon einmal gehört zu haben. Sie behauptete
allerdings, sie hätte ihm das schon vor zwei Wochen gesagt. Und dann waren die
üblichen Vorwürfe gekommen. „Du hörst mir nie zu, immer denkst du nur an dich“,
und so weiter und so fort. Sie waren erst seit gut vier Jahren verheiratet,
aber ihre Ehe lief schon seit einiger Zeit nicht mehr besonders gut. Doch er
hatte momentan weder Lust noch Zeit, diesen Zustand zu ändern. Seine Arbeit rang
ihm viel Kraft ab, da konnte er nicht auch noch auf jede einzelne
Stimmungsschwankung seiner Frau eingehen.
16
Pauline
hörte Schritte und hielt den Atem an. Kamen sie jetzt, um sie zu holen? Sie
wartete eine Weile, doch die Schritte verhallten wieder und sie atmete
erleichtert auf. Das verschaffte ihr etwas Zeit, sich in ihrem Gefängnis
umzusehen. Sie holte tief Luft, um den Schmerz zu kontrollieren und versuchte,
sich aufzurichten, als ihr Kopf gegen etwas Hartes knallte. Autsch !
Vorsichtig tastete sie mit der linken Hand über ihrem Kopf herum. Wenn nicht
bald jemand kam, der ihr die Schulter wieder einrenkte, würde sie wahnsinnig
werden, die Schmerzen waren kaum auszuhalten. Es kam ihr merkwürdig vor, aber
das, was sie da ertastete, schien tatsächlich schon die Decke zu sein. Sie
konnte sich maximal bis auf die Knie aufrichten. Da sie hier anscheinend nicht
stehen konnte, kroch sie auf Händen und Knien, so gut es eben ging, im Dunkeln
vorwärts und suchte nach einer Wand. Die Abmessungen waren schnell vorgenommen,
da der Raum sehr klein zu sein schien.
Nein,
klein ist nicht das richtige Wort dafür , dachte Pauline. Der Begriff „winzig“ trifft es wohl eher .
Ein
ungutes Gefühl beschlich sie und sie zwang sich, gegen die aufkeimende
Verzweiflung anzukämpfen. Sie versuchte sie zu verdrängen, so gut es ging.
Vergessen waren auf einmal die Schmerzen, die bislang ihre Gedanken beherrscht
hatten. Das ist ja ganz schön eng hier drin . Ihr Atem wurde schneller,
ihr Herz stolperte und hüpfte. Sie schwitze stark und fror gleichzeitig und ihr
wurde wieder schwindelig. Verdammt, eine Attacke, bitte nicht jetzt, beschwor sie sich selbst. Pauline fühlte sich unversehens in ihre Kindheit
zurückversetzt. Sie war wieder sechs Jahre alt und lag in der alten
Seemannstruhe ihres Großvaters. Aus Neugier war sie hineingeklettert und hatte
den schweren Deckel geschlossen. Anfangs war es noch lustig gewesen, in der
Truhe zu liegen und entführte Prinzessin zu spielen, die auf ihren edlen Ritter
wartete, doch dann wollte sie raus, ihr war langweilig geworden. Sie hatte
gegen den Deckel gedrückt in der Annahme, er würde aufgehen, doch der bewegte
sich keinen Millimeter, er war einfach zu schwer gewesen und plötzlich hatte
sie es nicht mehr lustig gefunden. Pauline hatte vor Verzweiflung und Angst
geschrien, geweint und getobt, doch es hatte nichts genutzt, die Truhe war
verschlossen geblieben. Als ihre Eltern nach einem ganzen Tag voll
verzweifelter Suche endlich die Truhe geöffnet hatten, hatten sie eine
erschöpfte und schlafende Pauline vorgefunden.
Seit
diesem schrecklichen Tag litt sie an Klaustrophobie und Panikattacken, die
regelmäßig und zu den ungünstigsten Zeitpunkten auftauchten. Wie eben jetzt.
Sie ertrug die Vorstellung nicht, in einem so kleinen Raum und bei völliger
Dunkelheit eingesperrt zu sein.
Ganz
ruhig bleiben, jetzt nicht in Panik verfallen. Alles wird gut. Es ist dunkel,
aber das macht nichts, die Dunkelheit kann auch dein Freund sein und du
könntest dich irren, was die Größe des Raums angeht. Sie sprach sich Mut zu. Ihr Körper jedoch ließ
sich nicht täuschen. Dessen ungeachtet arbeitete sie sich weiter vor, als sie
plötzlich in eine Art Starre verfiel. Sie konnte sich nicht mehr bewegen,
geschweige denn klar denken. Pauline blieb einfach sitzen. Ihre Gedanken kreisten
um einen Begriff, der ihr auf einmal in den Sinn gekommen war: Grabkammer!! Jetzt endlich verflog die Starre und die blanke Panik setzte sich durch. Sie
hatte die Oberhand gewonnen, hatte endgültig gesiegt. Pauline bekam keine Luft
mehr und war sich sicher, dass sie ersticken würde, wenn sie nicht sofort hier
heraus konnte. Ihr fiel die Stahltüre wieder ein, die sie vorhin entdeckt
hatte. So schnell es ihr in der völligen Dunkelheit möglich war, kroch sie
darauf zu und begann, daran
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