Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
ist. Achtundzwanzig Jahre alt. Schlank, blonde Haare, blaue
Augen. Körper ist in gutem Ernährungszustand…“
Beate blendete den Rest aus. Erstens verstand sie sowieso kaum etwas
von dem Kauderwelsch des Arztes und zweitens kämpfte sie mit einer immer
hartnäckiger werdenden Übelkeit.
Sie hielt durch und eine Stunde später waren die Obduktion und somit
auch ihr Martyrium endlich beendet. Dr. Bode trat zu ihnen: „Es ist schwierig
zu sagen, bevor alle Gewebeproben ausgewertet wurden. Aber sie ist ziemlich
sicher ertrunken. Und zwar nicht als Badetod gewertet.“
„Was
soll das heißen?“, frage Beate, plötzlich wieder ganz munter, dazwischen.
„Das
soll heißen, dass die typischen Ertrinkungszeichen fast alle fehlen. Ihr
Emphysema aquosum ist nur sehr gering ausgeprägt. Dementsprechend gab es auch
keine Paltauf-Flecken subpleural. Ich konnte keinen Schaumpilz entdecken. Auch
nicht in den Bronchien, was bei typischem Ertrinken sicher vorhanden wäre…“
„Dr.
Bode!“, rief Beate. „Bitte, könnten Sie das auf Deutsch erklären. Ich verstehe
ja kein Wort. Das ist meine erste Ertrunkene“, fügte sie noch kleinlaut hinzu.
Alle Augen im Saal waren plötzlich auf sie gerichtet. Zu ihrem Erstaunen
errötete sie. Aber der Rechtsmediziner zeigte ein nachsichtiges Lächeln und
übersetzte großzügig, was sonst gar nicht seine Art war: „Also, es gibt beim
typischen Ertrinken, rein theoretisch, sichere Zeichen, die genau das aussagen.
Nämlich, dass derjenige mit ziemlicher Sicherheit ertrunken ist. Bei einem
atypischen Ertrinken, wie es zum Beispiel der Fall wäre, wenn man gewaltsam
untergetaucht würde oder einen Herzinfarkt erlitten hätte, fänden sich diese
Befunde nicht, oder zumindest kaum. Die Frau ist jung und ansonsten gesund. Ich
kann einen Herzinfarkt oder andere Vorerkrankungen ausschließen. Wir haben auch
keinen Alkohol in ihrem Blut gefunden. Das ausführliche Drogenscreening steht
zwar noch aus und auch einige andere toxikologischen Befunde brauche ich noch,
um den abschließenden Bericht zu verfassen. Aber…“, hier brach er ab und sah
sie vielsagend an, eine Augenbraue hochgezogen. Er wartete offensichtlich
darauf, dass sie selbst den nahe liegenden Schluss zog. Beate ließ sich das
Gesagte einen kurzen Moment durch den Kopf gehen und dann tat sie ihm den
Gefallen und antwortete. „Sie wollen also damit andeuten, jemand könnte sie
ertränkt haben?“ Dr. Bode nickte.
Jetzt
mischte sich auch Pfeifer in die Unterhaltung ein. Bislang hatte er nur
interessiert zugehört: „Ich hätte Stein und Bein geschworen, dass das ein
Unfall war. So kann man sich irren. Können Sie jetzt den Todeszeitpunkt
festlegen?“
„Ich
würde sagen, vor ungefähr drei Tagen. Länger sicher nicht.“ Er schüttelte den
Kopf.
„Karl,
ich gehe schon mal vor.“ Beate verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis,
frische Luft einzuatmen. Sie wollte spüren, wie der Sauerstoff durch ihre
Lungen strömte und ihr Leben verlieh und sie wollte das muntere Zwitschern der
Vögel hören, um diese verdammte Säge endlich aus ihrem Kopf zu bekommen. Es
überraschte sie selbst, wie sehr sie der Tod dieser jungen Frau belastete.
Vielleicht lag es auch nur daran, dass das hier ihre erste Obduktion bei einer
Ertrunkenen war, sie wusste es nicht genau. Klar war nur, sie musste fort von hier.
Die
Luft draußen war voll von den natürlichen Düften des Spätherbstes, die sich mit
den verschiedenen Gerüchen aus den umliegenden Häusern vermischten. Begierig
nahm Beate die wohlriechenden Aromen in sich auf. Der Duft des Lebens .
Ja,
so langsam wurde es etwas besser.
„Na,
geht’s wieder? Daran wirst du dich wohl niemals gewöhnen, oder?“ Grinsend
tauchte Pfeifer neben ihr auf. Sie verzog angewidert das Gesicht und gab ihm
einen Schubs. „Lass das. Nicht lustig.“ Pfeifer lachte. „Na komm schon. Wir fahren
nochmal zu Leclerc. Während du draußen warst, kamen die Ergebnisse des
Drogenschnelltests.“
Beate
sah ihn erwartungsvoll an. „Und?“
„Und?
Sie haben etwas gefunden. Ein Barbiturat namens Thiopental. Es wird auch als
Narkosemittel eingesetzt.“
„Schlafmittel
also.“ Beate nickte. Ja, so langsam ergab es einen Sinn. Wenn Tamara Hölderlin
geschlafen hatte, hätte sie sich nicht wehren können, als man sie ins Wasser
stieß.
„Bode
sagt, dass dieses Thiopental in der Anästhesie verwendet wird, um Kurznarkosen
durchzuführen. Wirkt so etwa zehn bis fünfzehn Minuten, je nach Dosis.
Weitere Kostenlose Bücher