Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
herausgestellt hat.“ Pfeifer lachte
kurz wütend auf. „Er war definitiv in keinem Flugzeug, das den Münchner
Flughafen verlassen hat. Die bayrischen Kollegen sind da sehr gründlich. Es
scheint, als habe er seine Flucht bereits vor langer Zeit geplant. Er hat
wirklich sehr sorgfältig gearbeitet, das muss man ihm lassen.“ Ironisch fügte
er hinzu: „Game over. Ich habe verloren.“
An
dieser Stelle unterbrach Ruedi seinen Freund: „Also lass es mich
zusammenfassen. Wir haben lauter mutmaßliche Tote oder Verschwundene, vier
Finger und Videos, aber weder haben wir die Täter noch die Opfer? Außerdem ist
der Drahtzieher ein Arzt aus einem Forschungslabor, der wiederum für
Terroristen arbeitet? Und die einzige Zeugin, die ihr habt, liegt im Koma oder
besser gesagt, lag im Koma und erinnert sich an gar nichts. Klingt ziemlich
abgefahren und weit hergeholt, das musst du zugeben.“
Pfeifer
schmunzelte wider Willen. „Ruedi, du schaffst es immer wieder, die Sache direkt
auf den Punkt zu bringen. Aber du hast recht. Bis auf einen Toten, Rafael
Heinke, den Freund der Schwester, haben wir nichts. Zuerst dachten wir, das
Ganze sei ein tragischer Unfall gewesen. Doch die Untersuchungsergebnisse haben
recht schnell gezeigt, dass der Wagen manipuliert worden war. Vermutlich hatten
die beiden etwas gegen Roth oder Stein in der Hand und mussten deshalb sterben.
Wir wissen, dass Stein sich mit Autos auskannte. Er hat, bevor er bei der
Polizei anfing, eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker absolviert. Zahlreiche
Kollegen haben bestätigt, dass er auch ihre Autos repariert hat. Schwarz
versteht sich. So fügen sich die Puzzleteile Stück für Stück zusammen.“
Ruedi nickte: „Aber die große
Preisfrage ist, wo ist nun Tom Roth?“ Auf diese Frage hatte keiner der beiden
eine Antwort und so legten sie den Rest der Strecke schweigend zurück.
Das Polizeirevier in Zürich war um diese Zeit immer gut besucht. Ruedi
und Karl hatten Mühe, sich durch die wartenden Menschen einen Weg zu bahnen.
Sie waren froh, als sie endlich an Ruedis Schreibtisch angekommen waren und
begannen, an ihrem Bericht zu arbeiten, der dann nach Deutschland gefaxt werden
sollte. Pfeifer war sich mittlerweile ziemlich sicher, dass Roth und Stein
Europa bereits verlassen hatten und entschloss sich, Interpol einzuschalten.
Die Verbrechen, deren die beiden verdächtigt wurden, waren so schwer, dass
Interpol versprach, sie sofort in ihre Datenbank aufzunehmen und sie in der
Rangliste ganz nach oben zu setzen. Gratuliere, Roth. Du hast es nach ganz
oben auf die Liste der meistgesuchten Verbrecher geschafft . Du wärst
sicher stolz auf dich, wenn du es wüsstest, dachte Pfeifer sarkastisch.
Ruedi wollte seinen alten Freund in seinem aufgewühlten Zustand nicht nach
Hause fahren lassen und bot ihm an, die Nacht bei ihm und seiner Frau Juliane
zu verbringen. Gerührt dankte Pfeifer ihm, doch er lehnte ab. Er wollte nach
Hause. Er weigerte sich aufzugeben und wollte noch ein paar Dinge überprüfen,
bevor er den Fall zunächst auf den Stapel der ungelösten Fälle legen musste.
Des Weiteren musste er sich dringend mit seiner Frau aussprechen. Sie hatte
nur deshalb eingewilligt, sich um Svea zu kümmern, weil er ihr versprochen
hatte, sofort nach seiner Rückkehr aus Zürich zu einer Aussprache nach Hause zu
kommen. Und natürlich, weil Svea ihr leidtat. Frauke war der mitfühlendste
Mensch, den er kannte. Hoffentlich war es noch nicht zu spät für sie beide.
42
Samstag, 22. Oktober 2011
Thierry Leclerc schlug die Augen auf. Neben ihm piepte ein seltsam
aussehender Apparat, mit dem er verkabelt zu sein schien. Aus einer Flasche
neben seinem Bett tropfte klare Flüssigkeit über eine Kammer in einen Schlauch,
und der führte wiederum zu seinem Arm. Er schloss die Augen wieder. Es dauerte
einige Sekunden, bis er sich orientiert hatte. Ganz langsam begann sein Gehirn
seine Funktion wieder aufzunehmen. Er war in einem Krankenhaus. Da lief eine
Infusion und er war an einen EKG-Monitor angeschlossen. Aber warum? Nur sehr
zögerlich und bruchstückhaft kamen die Erinnerungen an den gestrigen Tag
zurück. Er war mit seinem Vater aus Freiburg geflohen. Der war plötzlich vor
seiner Tür gestanden und hatte ihn davon überzeugt, dass die Polizei ihn wegen
Mordes an Tamara verhaften wolle. Aber er hatte sie doch nicht umgebracht. Ohne
irgendetwas zu packen war er in die Limousine seines Vaters gesprungen. Er
hatte nicht einmal seinen Geldbeutel oder sein Handy
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