Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
mitgenommen. Lex war
schnell unterwegs gewesen, ohne Rücksicht auf die anderen Verkehrsteilnehmer,
hatte rote Ampeln ignoriert und war über Kreuzungen gerast. Sie hatten die
Strecke von Freiburg nach Breisach in weniger als dreißig Minuten zurückgelegt
und zügig die Rheinbrücke überquert. Bald darauf hatte Oskar ihn einfach aus
dem fahrenden Wagen gestoßen und ihm eine gute Reise gewünscht. Thierry wusste
nicht, bei welcher Geschwindigkeit sich das abgespielt hatte. Doch es war ihm
durchaus bewusst, dass er eigentlich tot sein müsste. Er hatte sich mehrmals
überschlagen, war mit dem Kopf hart auf dem Asphalt aufgekommen und schließlich
im Graben liegen geblieben. Er schauderte bei dem Gedanken daran. Irgendwie
hatte er es geschafft, sich unter höllischen Schmerzen zurück zur Straße zu
schleppen. Irgendwann musste er das Bewusstsein verloren haben. Als er wieder
aufgewacht war, hatte eine Frau seinen Namen gerufen. Danach verschwamm die
Erinnerung wieder. Thierry litt unerträgliche Schmerzen. Es gab keine Stelle an
seinem geschundenen Körper, die ihm nicht wehtat. Die Türe ging auf. Thierry
versuchte, den Kopf zu heben. Doch auch das war unmöglich. Sofort schoss eine
heftige Schmerzattacke wellenförmig von seinem Nacken in seinen Kopf. Stöhnend
ließ er sich wieder auf das Kopfkissen fallen.
„Bleiben
Sie liegen, Herr Leclerc. Sie sind schwer verletzt. Ich komme zu Ihnen
hinüber.“ Die Stimme, er kannte sie. Das war die Frau von gestern. Schritte
näherten sich dem Bett. Thierry hatte die Augen für einen Augenblick
geschlossen. Doch nun öffnete er sie wieder und dachte einen ganz kurzen,
irrsinnigen Moment an Flucht, als er die Frau erkannte. Beate trat an das Bett
und sprach ihn nochmals an. „Hallo. Wie geht es Ihnen? Was machen Sie denn für
Sachen? Sie haben Glück, dass Sie noch leben. Was ist denn passiert, um Himmels
willen?“
„Zu
viele Fragen“, flüsterte er. Beate musste sich hinunterbeugen, um ihn zu
verstehen. „Haben Sie Schmerzen? Soll ich eine Schwester rufen?“ Sie sah ihm forschend
in das schmerzverzerrte Gesicht. Entschlossen drückte sie den Rufknopf. Ein
paar Minuten später trat eine Krankenschwester ein. Sie wechselte einige Worte
auf Französisch mit Thierry und verließ das Zimmer wieder, nur um gleich darauf
mit einer Spritze wiederzukommen. Nachdem sie das Mittel in die Infusion
gespritzt hatte, schien es Thierry augenblicklich besser zu gehen. Seine
Gesichtszüge entspannten sich merklich.
„Frau Scheck! Wie haben Sie mich so schnell gefunden?“, brachte er
schließlich hervor.
„Sie stammen aus Nantes. Wo hätten Sie sonst hinsollen? Aber nun
erzählen Sie erstmal, was ist denn passiert?“ Jetzt trat auch Leander näher. Er
hatte die ganze Zeit über an der Tür gestanden und die Szene aus sicherer
Entfernung beobachtet. „Guten Tag, Herr Leclerc. Wie geht es Ihnen?“ Leander
fühlte sich noch immer unwohl. Er mochte Krankenhäuser nicht besonders. Schon
gar nicht, wenn er sich in einem Zimmer zusammen mit einem Kranken oder
Verletzten aufhalten musste. In Freiburg hatte er sich unglaublich
zusammenreißen müssen, als Beate ihn gebeten hatte, die Befragungen in der
Universitäts-Klinik durchzuführen. Hier gelang ihm das nur sehr spärlich. Die
ganzen Apparate waren ihm nicht geheuer.
„Herr
Drub, Sie sind auch da. Es geht mir blendend, wie Sie sehen.“ Er versuchte ein
Lächeln. Es misslang ein klein wenig und er zog stattdessen eine Grimasse.
„Können wir uns unterhalten?“ Beate wollte das Gespräch auf die Geschehnisse in
Freiburg lenken, bevor er wieder außer Stande war, sich zu unterhalten.
„Sicher“, Thierry nickte vorsichtig.
„Wir
haben etwas gefunden, das beweist, dass Tamara nicht in der Dreisam ertrunken
ist, sondern in ihrer Badewanne. Was sagen Sie dazu, Herr Leclerc?“ Thierry
schloss erneut die Augen. Die Erinnerung an seine große Liebe und deren Tod
verursachten seelische Schmerzen, die er nicht einfach durch eine Spritze
auslöschen konnte. „Sie haben Recht. Ich werde Ihnen alles erzählen.“ Beate
zückte ihren Notizblock und Leander trat noch einen Schritt näher, um nur ja
nichts zu verpassen.
„Ich
habe Sie nicht getötet. Zumindest nicht absichtlich, meine ich.“
„Natürlich.
Sie ist Ihnen aus der Hand und versehentlich in die Badewanne gerutscht und
einfach nicht wieder aufgetaucht“, warf Leander spöttisch ein. Doch Beate
brachte ihn mit einem einzigen drohenden Blick zum Schweigen. Wenn er
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