BLUE - toedliche Magie
Augen zu starren. Etwas an seiner Iris war so eindringlich, so strahlend. Als würde etwas von innen heraus leuchten. Das letzte Mal, als sie solch eine Faszination gespürt hatte, war sie in die Welt von Blue eingetaucht – glaubte sie zumindest, denn das Meiste war ja aus ihrem Gedächtnis verschwunden und nur als subtiles Gefühl vorhanden. Trotzdem war das hier anderes, noch machtvoller. Irgendwie erdig und gelb.
Vanessa ächzte unter der Wucht der Eindrücke und musste die Augen schließen. Noch nie in ihrem Leben war sie so verwirrt gewesen. Aber sie ahnte längst, dass Isidora die Wahrheit gesprochen hatte. Ohne Vorwarnung nahm der Mann ihre Hand in seine. Nicht fest, aber doch so, dass sie sie nicht zurückziehen konnte. Vanessa öffnete ihre Augen und blickte ihn überrascht an. Beinah zärtlich betrachtete er das zarte Horus-Auge ihrer Handlinien.
„Du bist es tatsächlich!“ Seine tiefe Stimme vibrierte bis in ihren Bauch hinein. „Deine Augen sind die einer Katze und dein Haar ist so, wie ich es mir ersehnt habe ...“ Bewundernd nahm er eine Strähne in die Hand und ließ sie wie flüssige Seide durch seine Finger gleiten. Seine Augen zeigten Anerkennung und Besitzerstolz. Vanessa wusste gar nicht, wie sie darauf reagieren sollte.
„... und das Zeichen auf deiner Hand zeigt, dass du über göttliche Kraft herrschen kannst.“ Damit ließ er ihre Haarsträhne wieder los und betrachtete noch einmal ihre rechte Handinnenfläche. Das Auge des Horus war jedoch nicht nur das Zeichen dafür, dass sie die Magie des blauen Mannes beherrschen konnte, sondern auch das Zeichen für Vollkommenheit. Für SEINE Vollkommenheit. Mit ihr an seiner Seite würde er herrschen und noch mehr Macht erlangen. So fügte sich endlich eines ins andere und er brauchte auch nicht länger nach dem verschwundenen Tempel zu suchen. Mit ihrer Gabe über die blaue Magie zu herrschen, konnte er sein eigenes Defizit (schließlich war er zur Hälfte Mensch) vermutlich ausgleichen. Wenn er seine Macht also mit der ihren verband, war sein Glück vollkommen und sie beide nur noch zum Herrschen bestimmt ... zuerst über Ägypten, dann über Afrika und schließlich über alle Kontinente dieser Erde.
Vanessa schluckte hart. Der schöne Mann betrachtete immer noch ihre Handfläche und schien darin viel mehr zu sehen, als nur das Auge des Horus. Als er ihr Interesse bemerkte wandte er sich ihr wieder zu. Seine Augen leuchteten kräftiger als zuvor und das war irritierend. Doch eigentlich konnte sie nur daran denken, dass er ein paar Punkte von dieser ominösen Liste aufgezählt hatte. Einer Liste, die wie ein Steckbrief verfasst worden war, um eine Frau aus ihrem normalen Leben zu reißen und für seine Zwecke zu entführen. Herrgott, das war so pervers! Außerdem wusste Vanessa genau, was der nächste wesentliche Punkt auf dieser Liste war: Ihre Jungfräulichkeit. Isidora hatte ihr erklärt, wie wichtig es war, dass noch kein Mann mit ihr geschlafen hatte. Isidora . Mein Gott, hoffentlich war sie überhaupt noch am Leben.
„Was ist mit m-meinen Freundinnen?“, fragte sie und verhaspelte sich vor lauter Aufregung, weil sie erst jetzt an sie gedacht hatte. Merenpaths Augen wurden schmal.
„Sie sind in Sicherheit“, antwortete er knapp und die Härte in seiner Stimme duldete kein weiteres Nachfragen. Vanessa aber hatte nicht solche Angst vor ihm wie andere. Sie wusste ja, dass er sie brauchte und wollte. Vielleicht lag es an diesem Wissen, dass sie sich trotzdem nachzufragen getraute, vielleicht auch an etwas anderem.
„Bitte! Könnt Ihr mir nicht sagen, wo sie sind? Isidora, Annika und Leonie darf nichts passieren. Und bitte, wo sind wir hier überhaupt?“ Ihr Blick war aufrichtig, nicht trotzig oder fordernd. Sie wollte nur eine Erklärung. Mehr nicht. Doch Merenpath war es nicht gewohnt, wenn einfach Menschen seine Machtsignale ignorierten. Nachzufragen, obwohl er ganz klar nicht mehr reden wollte, war eine Beleidigung. Mit plötzlicher Härte packte er ihr Kinn und zwang sie ihn anzusehen.
„Du glaubst wohl, weil ich dich zur Gefährtin wähle, kannst du dir mehr erlauben als andere? Das Einzige, was du dir erlauben kannst, ist mein Bett zu wärmen und mich zu unterstützten wo du nur kannst. Ansonsten hast du sicher kaum mehr Rechte als all die anderen, unnützen Sklaven.“ Sein Mund war zu einem schmalen Strich geworden und seine Augen hatten nun die Farbe von leuchtendem Gelb. Vanessa starrte in sie hinein, als wären sie
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