Blue
Lippen waren fest zusammengepresst und ein feines Rin n sal Blut bahnte sich seinen Weg nach unten über ihr Kinn. Blue hatte sich auf die Lippe gebissen. Er fühl t e sich hilflos. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. „Bitte verlass mich nicht, Blue.“ Wie ein Mantra sagte er diese Worte immer wieder. Es durfte nicht sein, dass er endlich am Ziel war und sie jetzt verlor. Damit konnte er nicht leben. Aber was konnte er schon tun? Er war ja eben erst zum Vampir geworden und hatte keine Ahnung , was das mit sich brachte und wie er sich verhalten musste.
Blues Not schnitt ihm ins Herz und seine Hilflosigkeit frustrierte ihn. Er war ein Macher, er musste etwas tun! Aus Mangel an Möglichkeiten durc h suchte er die ganze Wohnung nach etwas , was Blue helfen konnte. Er fand aber weder Schmerzmittel noch Verbandsmaterial. Daran musste er sich gewöhnen. Er war jetzt ein Vampir wie Blue. In einem solchen Haushalt wurden diese Dinge nicht benötigt. Schließlich holte er Eis aus dem Gefrie r fach und gab die Würfel in eine Schüssel mit Wasser. Damit und einem Handtuch kniete er sich an Blues Bett. Er wischte ihr mit dem nassen Tuch Stirn und Hals ab.
Blue wurde von heftigen Krämpfen geschüttelt. Fluchend nahm er ihr G e sicht in beide Hände. „Wach auf, Süße. Sprich mit mir und sag mir , was ich für dich tun kann.“ Er bekam keine Antwort. In seiner Not rief er Boss an. „Mit Blue stimmt etwas nicht.“
„Was ist los?“ Boss klang alarmiert. Tom schilderte ihm alles. „Ich mach mich sofort auf den Weg zu euch.“
Boss legte auf und Tom fühlte sich im Stich gelassen. Er ging ratlos zu der Frau zurück, für die er sein Leben geben würde. Er konnte nichts weiter tun , als ihr die Stirn zu kühlen. Verdammt! Nach gefühlten Äonen hörte er en d lich die Türglocke.
*
Nach unendlich langer Zeit fühlte Blue , wie der Schmerz nachließ. Jemand tupfte ihr mit etwas Nassem das Gesicht und den Hals ab. Langsam kamen Blues Sinne zurück und sie hörte Männerstimmen. Es waren Boss, Tom und Gabriel , die sich in unmittelbarer Nähe gedämpft unterhielten. Nur, was machten sie alle in ihrem Schlafzimmer? Vorsichtig öffnete sie die Augen einen Spaltbreit . Die Nachttischlampe war eingeschaltet und blendete sie derart, dass sie die Augen stöhnend mit dem Arm bedeckte.
„Hey, du bist endlich wach“, hörte sie Tom nahe an ihrem Ohr sagen.
Er klang gequält. Was war geschehen? „ Was zum Teufel war das?“ Texti l rascheln war zu hören und einer der anderen beiden Männer trat zum Bett. Tom, das wusste sie jetzt, saß neben ihr .
„Das wissen wir nicht, Blue“ , sagte Boss. „Aber es hat den Anschein, dass du noch einmal durch eine Art Wandel gegangen bist. Was auch immer das zu bedeuten hat.“
Blue nahm den Arm vom Gesicht und schaute in ein moosgrünes Auge n paar. Die Sorge, die darin zu erkennen war, traf sie mitten ins Herz. Boss und Gabriel musterten sie kritisch. Sie wusste das nicht, weil sie sie ang e schaut hatte, sondern weil sie sie fühlen konnte. Überhaupt schienen ihre Sinne viel schärfer als vorher. Noch schärfer! Sie konnte jede Pore in Boss’ Gesicht erkennen, obwohl er mehr als zwei Meter von ihrem Bett entfernt stand. Sie hörte jeden einzelnen Herzschlag der Anwesenden und aller B e wohner der oberen drei Etagen des Appartementhauses und konnte sie au s einanderhalten. Wenn sie die Herzen der a nderen früher schon gehört hatte, war es wie ein Echo gewesen. Etwas dumpf und leicht verzerrt. Doch nun, wenn sie sich darauf konzentrierte, war deren Klang glasklar zu hören. Die Luft war geschwängert von verschiedenen maskulinen Düften, die durc h setzt waren von einer sauren Note. Sorge. Selbst ihre Haut war sensibler geworden.
Während sie versuchte, diesen ganzen Geschehnissen einen Platz zu g e ben, fiel ihr plötzlich etwas auf. Egal , wie sie sich bewegte oder wie tief sie atmete, sie hatte keine Schmerzen im Brustkorb.
„Hast du sie dir genau angesehen?“, flüsterte Gabriel in Boss’ Ohr . „Fällt dir nichts Ungewöhnliches auf?“
Boss runzelte die Stirn und musterte sie eingehend. „Ich weiß , was du meinst“, antwortete er und trat nahe an Blue heran. Er nahm ihre Hand und hielt die Innenseite des Handgelenks unter die Nase. Tom begann sofort zu knurren. „Beherrsch dich, Tom. Ich will nur etwas überprüfen.“
Tom nuschelte eine unverständliche Entschuldigung in Boss’ Richtung, während Boss lange und tief durch die Nase einatmete. Danach riss
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