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Bluescreen

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Titel: Bluescreen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mark; Vennemann Greif
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Menschen, die sich in den Lücken unserer Welt bewegen, weil sie ihre Anforderungen nicht mehr ertragen, der erste Schritt zurück ins Leben? Wenn man einmal einen Schritt zurücktritt und unsere unaufgeräumten Leben von außen betrachtet, so fragt man sich immer wieder nach ihrem Sinn. Wie können wir zu einem sinnvollen Leben zurückkehren? Indem wir weiterhin alles ästhetisieren, bis die Ästhetik des hektischen Strebens einfach in die Luft fliegt? Mithilfe der anästhetischen Strategien, die ich in diesem Essay beschrieben habe? Also indem wir alle »Erfahrungen« wieder als reine, neutrale Begebenheiten wahrnehmen, die sich nicht länger zur Dramatisierung eignen? Es wirkt irgendwie pervers, nach dem Sinn zu fragen, wo wir nicht einmal wissen, wie das Leben aussähe, wenn es nicht länger als Geschichte der Suche nach und des Aufschiebens von Belohnungen erzählt würde. Können wir – unmittelbar und unvermittelt – zu solche einem Leben gelangen? Und wenn ja: Was würden wir dort finden?
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1
  
Mark Greif, » The meaning of life I . The concept of experience , in: n+1 2/2005, S. 143-158.
2
  
Beide Verfahren, der Ästhetizismus und der Perfektionismus, funktionieren so, dass Erfahrungen von einem aktiven Individuum bewusst kontrolliert werden. Der Mensch lernt, eigentlich seltene und damit wertvolle Erfahrungen bei jeder Gelegenheit aus jedem beliebigen Gegenstand zu ziehen. Der Ästhetizismus lehrt seine Anhänger, in jedem Objekt und in jedem Ereignis einen Moment seltener Schönheit zu finden; Perfektionisten wiederum leiten aus diesen Quellen moralische Urteile über den Beobachter selbst ab. Ästhetizismus und Perfektionismus verwandeln banale oder gar hässliche Dinge in Gegenstände von einzigartigem ästhetischen Interesse oder in Beispiele mit einer Art Moral, die uns zu einer permanenten Transformation, aber auch Wertschätzung für das Selbst ermuntern. Auf diese Weise vervielfältigen sich die Anlässe für Erfahrungen in einer Weise, dass sie uns unablässig zur Verfügung stehen.
3
  
Epikur, Brief an Menoikeus , in: ders., Von der Überwindung der Furcht. Katechismus, Lehrbriefe, Spruchsammlung, Fragmente , eingeleitet und übertragen von Olof Gigon, Artemis & Winkler 1949, S. 47.
4
  
Ebd.
5
  
Ebd., S. 46.
6
  
Ebd., S. 47 f.
7
  
Ebd., S. 47.
8
  
Epiktet, Handbuch der Moral , in: ders./Teles/Musonius, Ausgewählte Schriften , Griechisch – Deutsch, herausgegeben und übersetzt von Rainer Nickel, Artemis & Winkler 1994, S. 13 (Epikt. ench. 3).
9
  
Epiktet, Lehrgespräche , in: ebd., S. 297-299 (Epikt. diatr. 1,6).
10
  
Epiktet, Handbuch der Moral , in: ebd., S. 11 (Epikt. ench. 1,4).
11
  
Epiktet, Lehrgespräche (Epikt. diatr. 1,6,26-29), für den vorliegenden Band übersetzt von Rainer Nickel.
12
  
Ebd.

ÄTHER
    Ich war achtzehn, als ich zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem Internet machte. Meine fünf Korrespondenzpartner gingen mit mir aufs College oder studierten an anderen Universitäten. Das Internet erschien uns als großartige neue Möglichkeit, einander lange und aufwendige Briefe zu schreiben, ohne Briefmarken allerdings. Innerhalb von lediglich zehn Jahren versetzte das Internet weltweit ganze Nationen, die eigentlich demokratisch und ganz vernünftig waren, in einen Zustand dämmriger Hast, während es zugleich einfacher wurde, Flugtickets zu buchen und sich einen Überblick über die Qualität von Restaurants zu verschaffen.
    Am sonderbarsten fand ich damals, dass innerhalb der Eliten bald eine Personengruppe auf den Plan trat, die das Internet zu einem Instrument der erlesenen Revolutionen und Erlösungsmomente erklärte. Kein Zweifel: Die Leute, die diese Technologie zu der ihren gemacht haben, zu ihrem Stein der Weisen und zur großen Sache ihrer Generation (genau genommen ist es ja nicht einmal eine ganze Generation, sondern nur ein Teil davon: die fünf, zehn Jahrgänge, die um das Jahr 2000 herum erwachsen wurden und zu denen auch ich gehöre), werden die messianische Heilsbotschaft des Internets verkünden, bis sie dereinst sterben. Dieser winzige Haufen von Utopisten hat das Diskursfeld rund um das Internet abgesteckt, und die Nachgeborenen werden auch weiterhin in ihrem Schatten stehen.
    »Gott, kann das Internet nicht einfach kaputtgehen?«, murmelte einer meiner Studenten, als ich die neuen Richtlinien erklärte, nach denen sie ihre Arbeiten in Zukunft online einreichen sollten. Jetzt, da ich gelegentlich selbst unterrichte,

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