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Blüten, Koks und blaues Blut

Blüten, Koks und blaues Blut

Titel: Blüten, Koks und blaues Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Herzversagen“,
diagnostizierte der Gerichtsmediziner. „Der Mann hatte ein besonders schwaches
Herz. Keine Wunde, weder von einem Schuß noch von einem Messerstich oder einem
stumpfen Gegenstand. Sieht so aus, als sei er vor Angst gestorben. Eine
plötzliche, heftige Erregung vielleicht.“
    „Haben Sie seine Finger gesehen?“ fragte
Pellegrini.
    „Ja. Von einer Säure zerfressen. Wahrscheinlich
von derselben, die auch die Augen des anderen verätzt hat.“
    Er wies mit dem Kinn auf die Galerie.
    „Ein schwaches Herz“, murmelte der Kommissar
nachdenklich. „Könnte es sein, daß es durch den Schmerz beim Verätzen
überwältigt wurde?“
    „Glaub ich nicht. Es muß etwas anderes passiert
sein. Mehr kann ich im Augenblick nicht sagen. Die Autopsie wird bestimmt noch
einiges andere ergeben. Bevor wir aber zur nächsten Leiche kommen, möchte ich
Sie auf die blutunterlaufenen Stellen an Fuß- und Handgelenken hinweisen,
Kommissar. Der Mann ist gefesselt worden. Wenn aufgrund des Todes durch
Herzversagen auch keine Anklage wegen Mordes erhoben werden kann, so bleiben
doch diese Spuren, die auf Mißhandlung...“
    „Dieser verdammte Kerl, der uns durch die Lappen
gegangen ist!“ fauchte Pellegrini, mit Vornamen Ange. „Man sollte ihn...“
    Es folgten original korsische Verwünschungen.
Währenddessen wurden die Stricke vorsichtig eingetütet, und dann überließ der
Hinkende seinen Platz dem verstorbenen Hausherrn.
    Marius Dufour war an einer Überdosis blauer
Bohnen gestorben. Der Arzt erklärte, die Verätzungen im Gesicht seien
zeitgleich wie die an den Fingern des Unbekannten erfolgt. Ich fragte mich, wer
wohl den Revolver, aus dem die tödlichen Schüsse gefallen waren, in der Hand
gehalten hatte.
    „Na?“ fragte mich Pellegrini, während die
Leichen abtransportiert wurden. „Was halten Sie von der Bescherung, Monsieur
Burma? Sie sehen so nachdenklich aus.“
    „Bin ich auch“, gab ich zu. „Macht es Sie nicht
stutzig, daß Dufour Radierungen herstellte und in einen Mord verwickelt war?
Wenn auch nur als Opfer, aber trotzdem. Oder vielleicht grade deswegen. Sie
wissen doch, daß man zum Herstellen von Banknoten — echten wie falschen — einen
solchen Fachmann benötigt, oder?“
    „Madonna!“ rief Pellegrini. „Sie meinen also...“
    „...daß zumindest dieser Mord damit in Zusammenhang
steht, jawohl.“
    Der Kommissar schwieg eine Weile, dann ballte er
die Fäuste und knurrte:
    „Wenn ich den Kerl zu fassen kriege, werde ich
ihn schon zum Sprechen bringen! Die Toten da können leider nichts mehr sagen...“
Wütend biß er auf seinen Lippen herum. „Kommen Sie mit? Wir fahren zurück nach
Cannes.“
    Obwohl ich gerne noch ein Wörtchen mit der
Schriftstellerin gewechselt hätte, setzte ich mich zum zweiten Mal neben den
Korsen in einen Dienstwagen. Während der Fahrt fragte er mich ein gutes
Dutzendmal, ob ich tat-säch-lich einen Zusammenhang zwischen dem Mord und der
Geldfälscherei sähe. Ebensooft antwortete ich mit Ja. Worauf sich meine
Vermutung gründe? Auf Intuition, vermutete ich.
    Als wir wieder in Cannes waren, brauchte ich ein
Aspirin, um meine Kopfschmerzen — Folge der nervtötenden Unterhaltung — zu
bekämpfen.
    Die Straßensperren hatten nicht den gewünschten
Erfolg gebracht. Sie waren zu spät errichtet worden. Ich ließ den Kommissar mit
seiner schlechten Laune alleine und begab mich zum nächsten Taxistand.
    „Nach Nizza“, sagte ich zu dem Fahrer, dessen
Gesicht mich an ein Pferd erinnerte. „Und halten Sie um Gottes willen nicht an,
wenn Sie eine Leiche im Straßengraben liegen sehen.“
    „Wenn ich etwas sehe“, erwiderte er, „dann sind
es weiße Mäuse und Spinnen. Aber Sie haben Glück: Heute bin ich nüchtern!“
    Ich ließ ihn früher anhalten, als ich gedacht
hatte.
    Auf der Höhe von Palm Beach sah ich auf
einem Feldweg, der einer Horde Kinder als Spielplatz diente, einen dunklen
Renault stehen. Ich erkannte ihn sofort wieder. Der heimatlose Gentleman konnte
sich demnach nur in Cannes aufhalten. Es kostete mich einen Telefonanruf,
Pellegrini von dem Fund zu berichten. Diesen Gefallen konnte ich ihm wirklich
tun, zumal der Dienstwagen früher oder später sowieso entdeckt worden wäre.
    In La Pergola hörte ich von der
Haushälterin, daß Madame weggefahren sei, ohne zu sagen, wann sie wiederkommen
werde. Ich fluchte innerlich. Raymonde Saint-Cernin sollte keinen schlechten
Eindruck von mir bekommen. Ich wollte ihr so schnell wie möglich

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