Blüten, Koks und blaues Blut
jedesmal als Handelsreisender
eingetragen. Könnte stimmen, so wie der aussah…“
Vor allem sah er wie ein Geistlicher aus, oder
wie ein Quäker. Ich versuchte mich zu erinnern, ob ich im Laufe des gestrigen
Tages bei irgend jemandem das gleiche Hinken beobachtet hatte. Da das aber nur
eine untergeordnete Rolle spielte, verabschiedete ich mich von Pellegrini. Er
rief mir noch hinterher, daß das Foto von Ronald Kree an Scotland Yard gegangen
sei.
Ich ging zurück in mein Hotel. Dort zog ich die
Vorhänge zu, stellte den Ventilator an und streckte mich auf meinem Bett aus.
Eigentlich wollte ich bei einer guten Pfeife in Ruhe über alles nachdenken.
Doch die Hitze schläferte mich ein.
Theorien
Meine Uhr zeigte halb fünf, als jemand an meine
Tür klopfte. Es war Hélène. In ihrer Handtasche brachte sie einen Stapel
Briefumschläge mit. Ich bat sie, die Ausbeute ihrer Suche auf den Kamin zu
legen. Wenigstens zum Feueranmachen im Winter werde man sie brauchen können,
fügte ich hinzu. Mir sei ein Denkfehler unterlaufen, daher sei ihre Arbeit
umsonst gewesen.
„Ach!“ stieß sie nur hervor. Solche Geständnisse
war sie von mir nicht gewöhnt.
„Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Schwester“,
forderte ich sie auf. „Kämen Sie auf die Idee, Sie könnten die Polizei davon
abhalten, sich um sie zu kümmern, wenn Sie alle Bilder von ihr vernichten? Wenn
es sich jedoch um eine flüchtige Bekannte handelt, würde es schon genügen, ihre
Adresse zu vernichten, um jede Identifikation unmöglich zu machen. Ja, Hélène,
ich habe mich geirrt. Pierre de Fabrègues muß damit gerechnet haben, daß sein
Tod die Flics veranlassen würde, sich seinen Bekanntenkreis näher anzusehen.
Wenn er alle Adressen vernichtet hat, dann deshalb, weil er wußte, daß Madame X
nichts von diesen Nachforschungen zu befürchten hatte. Ich bleibe dabei: Es
handelt sich um eine verheiratete Frau. Der Graf hatte sie jedoch erst vor
kurzer Zeit kennengelernt, und seine Freunde wußten noch nichts von ihr. Ich
bin mir nicht mal sicher, ob Pierre selbst überhaupt ihre Adresse kannte...“
„Warum hat er denn nicht nur diese eine Adresse
vernichtet, falls er sie irgendwo aufgeschrieben hatte?“ warf Hélène leise ein.
„Weil besser hält, was doppelt genäht. Und weil
man ganz sicher gehen muß. Und weil es noch viele andere Weisheiten dieser Art
gibt, die Ihnen jeder Privatflic runterbeten kann. Nur indem er alles
verbrannte, konnte er sicher sein, daß nichts mehr herumlag. Und die Spuren hat
er verwischt, weil Pellegrini für solche Gedankengebäude nicht scharfsinnig
genug ist... Jedenfalls ist die Namenliste, in die wir soviel Hoffnung gesetzt
haben, uninteressant geworden. Die Frau, die wir suchen, steht mit Sicherheit
nicht darauf. Die Jagd auf die Briefumschläge ist hiermit beendet. Wir müssen
uns etwas anderes ausdenken.“
„Gott sei Dank!“ Hélène atmete auf. „Der
Mülleimerjob hat mir sowieso nicht sonderlich behagt.“ Sie setzte sich, schlug
die Beine übereinander und stöhnte wegen der Hitze. „Und das ist noch gar
nichts im Vergleich zu dem, was uns Mitte August erwartet!“
„Mitte August, mein Schatz, werden wir in Paris
sein“, beruhigte ich meine Sekretärin und begann, mir eine Pfeife zu stopfen.
„Hoffentlich nicht, Chef. Ich verrate Ihnen
nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, daß mir der Süden gefällt. Und wenn ich noch
eine Weile hier bin... Tja, Monsieur Burma, ein junges Mädchen wie ich könnte
hier interessante Bekanntschaften machen. Zum Beispiel mit André Milandre. Hab
ihn heute morgen gesehen und...“
„Von welcher Art Bekanntschaften reden Sie
eigentlich? Wenn ich mit diesem komischen Vogel zusammen war, hat er niemanden
gegrüßt. Frag mich, ob er auch nur einen einzigen Zweibeiner an der gesamten
Küste kennt.“
„Vielleicht nicht die Sorte, die Ihnen in den
kleinen schäbigen Bars über den Weg laufen. Aber...“
Und sie erzählte mir, daß sie Milandre gesehen
habe, wie er gerade an Bord einer hübschen Jacht ging. Der Matrose habe ihn
vorschriftsmäßig gegrüßt, und das Schiff sei ausgelaufen, ohne daß Dédé wieder
an Land gegangen sei. Es handele sich um die Jacht eines reichen Sackes, der
häufiger eine kleine Spritztour aufs Meer unternehme wie andere eine...
Radtour. Dann fügte sie noch mit einem tiefen Seufzer hinzu, daß man es mit der
Agentur Fiat Lux weit bringen könne, vorausgesetzt, man kehre ihr den
Rücken.
„Der Gedanke ist mir auch schon
Weitere Kostenlose Bücher