Blueten-Trilogie 03 - Fliedernachte
bisweilen, einfach mal kurz über die Straße zu gehen und bei der Freundin vorbeizuschauen. Auf einen kleinen Schwatz oder abends, zum Ausklang des Tages, auf einen Schluck Wein.
Trotzdem fand sie es richtig, wie es jetzt war. Zweifellos gehörte Avery zu Owen Montgomery, in den sie schon als Schulmädchen verliebt gewesen war. Im Mai würden die beiden heiraten – natürlich im BoonsBoro Inn, genau wie im letzten Frühjahr ihre gemeinsame Freundin Clare, die sich ebenfalls einen Montgomery ausgesucht hatte, Owens Bruder Beckett.
Hope sah auf die kleine Buchhandlung neben der Pizzeria. Das war Clares Reich. Sie hatte sie eröffnet, als sie als ganz junge Witwe eines im Irak gefallenen Soldaten in ihre Heimatstadt zurückkehrte: mit zwei kleinen Kindern an der Hand und einem dritten im Bauch. Es war ein großes Wagnis gewesen, sich selbstständig zu machen, doch der Erfolg gab ihr recht. Jetzt war sie Mrs. Montgomery und erwartete im Januar ihr viertes Kind. Auch Clare wohnte inzwischen etwas außerhalb der Stadt.
Seltsam, dachte Hope, dass sie als Einzige hier die Stellung hielt, obwohl sie gar nicht aus Boonsboro stammte. Die beiden Freundinnen hatten sie überredet herzukommen und die Leitung des neuen Hotels zu übernehmen.
Das war vor nicht ganz einem Jahr gewesen. Anfangs hatten sie sich häufig abends noch auf die Schnelle getroffen, und das vermisste Hope bisweilen.
Für sie alle hatte sich im letzten Jahr unglaublich viel verändert.
Bis dahin war sie selbst eine dynamische Jungmanagerin in Washington gewesen mit einem erstklassigen Job und einer scheinbar nicht weniger erstklassigen Beziehung zum Juniorchef des Wickham, mit exzellenten beruflichen wie privaten Perspektiven also. Und ja, sie hatte sich in dem renommierten Hotel wohlgefühlt, mochte seinen Arbeitsrhythmus und sein Ambiente und genoss das vollste Vertrauen des Seniorchefs.
Alles lief super, bis dieser Mistkerl Jonathan plötzlich mit einer anderen daherkam. Zugegeben: Eine offizielle Verlobung gab es zu keiner Zeit, ebenso keine verbindlichen Pläne, aber sie lebten jahrelang so, als müsse darüber gar nicht mehr diskutiert werden. Wo immer sie gemeinsam hingingen, trat sie als die Frau an seiner Seite auf.
Eine feste Größe. Der Rest schien Formsache zu sein.
Und dennoch war da bereits während der letzten Monate ihres Zusammenseins eine andere Frau – obwohl entweder Hope nach wie vor regelmäßig in seinem Bett schlief oder er in ihrem. Ein verwöhntes Luxusgirl der Ostküstenaristokratie, das gar nicht auf die Idee käme, man könnte sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen.
Jonathan hatte es ihr überhaupt erst kurz vor der offiziellen Verlobung mitgeteilt, und zwar als sie gemeinsam splitternackt im Bett lagen. Und war obendrein völlig schockiert, weil sie ihn mit zornbebender Stimme zum Teufel schickte. Er schien davon auszugehen, dass es mit ihnen einfach so weiterging, nur dass sie jetzt die heimliche Geliebte spielen müsste.
Eins führte zum anderen, und Hope begann ihre Prioritäten zu überdenken, konnte sich plötzlich ein Leben in dieser Provinzstadt in Maryland vorstellen, war zufrieden mit der Leitung dieses kleinen Hotels und verbrachte ihre knappe Freizeit nicht mehr mit der Planung exklusiver Abendessen oder mit der Suche nach perfekten Kleidern und perfekten Schuhen für die nächste große Gala.
Fehlten ihr all diese Dinge? Die Boutiquen und die Restaurants, die wunderbaren hohen Räume und die von Blumenbeeten gesäumte Terrasse des Stadthauses aus dem neunzehnten Jahrhundert, in dem sie gewohnt hatte? Vermisste sie den Glanz, den die Ausrichtung großer Bankette und Empfänge für politische Größen oder andere bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit sich brachte?
Manchmal schon, musste sie zugeben. Doch bei Weitem nicht so oft oder in dem Maße, wie sie anfangs befürchtet hatte. Zu groß war die Erleichterung, all die unschönen Begleitumstände der letzten Zeit in Georgetown hinter sich lassen zu können. Überdies hatte sie mittlerweile festgestellt, dass sie sich in Boonsboro nicht nur zufrieden, sondern glücklich fühlte. Dass sie nicht nur einen neuen Arbeitsplatz, sondern ein Zuhause gefunden hatte.
Das verdankte sie in erster Linie ihren beiden Freundinnen Avery und Clare sowie den Montgomerys. Allen voran Justine, der Mutter der Brüder, die sie damals vom Fleck weg engagierte.
Und sie selbst brauchte nur einen einzigen Tag Bedenkzeit, um sich für dieses kleine
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