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BLUFF!

BLUFF!

Titel: BLUFF! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Lütz
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machen würde, und zwar nicht für die Wissenschaft, sondern vor allem gegen die Religion, wobei sie ausgerechnet die wissenschaftlichen Einsichten über die Religion offensichtlich gar nicht kennen. Und so bemühen sie sich mit Bienenfleiß, eine aus wissenschaftlichen Bruchstücken zusammengebastelte Pappkulisse zu schaffen, von der sie uns erklären wollen, das und nur das sei die Welt, die ganze Welt. Die »Truman-Show« lässt grüßen. Dabei ist das Ganze eine Fälschung und eine plumpe obendrein.
    Man merkt das schnell, wenn man die kabarettreifen Karikaturen der Religion untersucht, die sie zum Besten geben. Dabei leben sie unverdrossen noch im naiven Fortschritts-Pathos des 19. Jahrhunderts, dem schon Goethe im betulichen Wagner seines Faust ein unsterbliches Denkmal setzte: »und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.« – »O ja, bis an die Sterne weit«, kann Faust da nur sarkastisch antworten. In solchem Stil und auf solchem Niveau reden auch die Dawkins-Jünger daher: Früher, so behaupten sie, hätten die Leute doch tatsächlich geglaubt, die Welt sei in sechs Tagen geschaffen worden. Jedes Kind wisse heute mit Hilfe der Wissenschaft, dass das völlig falsch sei. Wer sich aber wissenschaftlich wirklich auskennt, der weiß, dass die Menschen vor dreitausend Jahren genauso intelligent waren wie unsereins. Gewiss, sie waren weniger informiert als wir Heutigen, aber blöd waren sie nicht. Um die Welt zu verstehen, haben die Menschen damals die Welt nicht gemessen, sie haben sie erzählt. Das ist nicht falsch, das ist bloß anders, und das tun heute noch die Dichter und die Denker. Die sechs Arbeitstage Gottes in der biblischen Geschichte waren für die damaligen Menschen die Gliederung einer wichtigen Erzählung und die Begründung einer den Rhythmus der Zeit prägenden Siebentagewoche. Wir können getrost davon ausgehen, dass niemand damals davon ausging, Gott habe genau 144 Stunden durchgearbeitet und dann genau 24 Stunden Pause gemacht. Wenn Menschen heute dazu neigen, bloß alles Messbare wichtig zu finden, dann müssen wir diesen Fimmel nicht auch den Menschen anderer Zeiten unterstellen.
    Auch heute, lieber Leser, ist es natürlich für Sie und Ihr Leben wichtiger zu wissen, ob Sie einem bestimmten Menschen vertrauen können, was bekanntlich nicht messbar ist, als zu wissen, wie groß genau die Entfernung zwischen Sonne und Mond ist, da Sie in dieser Gegend wohl kaum etwas zu tun haben werden. Dennoch neigen wir dazu, das, was menschlich wichtig ist, für weniger wahr zu halten als irgendwelche gemessenen Nichtigkeiten. Auch für die Menschen damals war es wichtig zu wissen, worauf sie sich verlassen konnten. Und die Geschichte von der Erschaffung der Welt in sechs Tagen durch den einen, verlässlichen, allmächtigen Gott und nicht durch unzählige beängstigende, flirrende Naturgeister gab ihnen das Vertrauen, in einer sinnvollen Welt zu leben. Wie man in einer solchen Welt lebt, die nicht so sehr aus Informationen, sondern vor allem aus Geschichten besteht, hat übrigens Thomas Mann in seinem Josephsroman eindrücklich geschildert.
    Das Volk der Bibel lebte damals in einer Umwelt, in der die Menschen Angst hatten vor den Gestirnen, die sie für Götter hielten, Angst vor Naturgewalten, in denen sie die Kraft ungebändigter Dämonen am Werk sahen, Angst vor eigentlich allem, was sie umgab. Die Geschichte dagegen, die die biblischen Menschen in ihrem heiligen Buch lasen, war eine Geschichte der Befreiung. Der Gott, an den sie glaubten und der für sie sorgte, war ein einziger Gott, und dieser Gott hatte die ganze Welt geschaffen. Vor nichts brauchten sie mehr Angst zu haben, denn alles war Geschöpf, und die Sterne, an die die abergläubischen Nachbarvölker angstvoll glaubten, die Sterne hatte Gott, hatte Jahwe, »wie Funzeln«, so heißt es im hebräischen Text, »an den Himmel gehängt«. Schöner und humorvoller konnte wohl kaum ein Text eine Befreiung klarmachen. Und ich bin sicher, keiner unserer damaligen Mitmenschen hat gedacht, ihr Gott hätte sich tatsächlich höchst persönlich als Nachtwächter am Himmelszelt betätigt. Sie wussten genau, was die Geschichte sagen wollte, dass man nämlich keine Angst zu haben brauchte vor den Kräften der Natur, weil es einen mächtigen Schöpfer gab, dem man vertrauen konnte. Und sie waren tief dankbar dafür, dass diese Schöpfungsgeschichte eine wahre Geschichte war, die der Klarheit halber durch Tage gegliedert wurde, aber deren

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