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BLUFF!

BLUFF!

Titel: BLUFF! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Lütz
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Von dem Physiker Werner Heisenberg, der 1932 den Nobelpreis für Physik erhielt, ist der berühmt gewordene Satz überliefert:
    »Der erste Schluck aus dem Becher der Wissenschaft führt zum Atheismus, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott.«
    Wer glaubt, Dawkins’ »Gotteswahn«, das sei die Wissenschaft, der ist der hemmungslosen Propaganda eines geschickten Verkaufsstrategen aufgesessen, der längst ausrangierte wissenschaftliche Antiquitäten aus dem 19. Jahrhundert als das Neuste vom Neusten unter die Leute bringt.
     
    Die Wissenschaft ist eine moderne, in sich schlüssige Erzählung von der Welt unter einer ganz speziellen Perspektive, und unter dieser Perspektive muss sie tatsächlich methodisch so vorgehen, dass sie von Gott absieht. Sie misst, berechnet und wiegt, und sie denkt dann darüber nach, und zwar so, als ob es Gott nicht gäbe. Aber am Ende weiß sie, dass ihre Einsichten begrenzt sind.
    Auch Wissenschaftler sind nur Menschen, und das beste Beispiel für ihre menschlichen Schwächen ist übrigens das typische universitäre Milieu, in dem derjenige, der die meisten guten Veröffentlichungen vorweisen kann, geradezu als eine bessere Form von Mensch angesehen wird, wo merkwürdige Hierarchien herrschen und im Umgang miteinander Verhaltensweisen an den Tag gelegt werden, die für Außenstehende völlig unverständlich sein müssen. Die universitäre Welt ist eine Welt für sich und erscheint bisweilen so skurril wie jenes Bauernmöbelarrangement, von dem schon die Rede war. Doch in existenziellen Fragen reagieren Wissenschaftler wie alle Menschen, die von ihrem eigenen unvermeidlichen Tod wissen, die vor Lebensentscheidungen stehen, für die, wie gerade sie selbst nur zu gut wissen, die Wissenschaft natürlich über keine Antworten verfügt. Und so wird der lebensweise Wissenschaftler keine Probleme haben, sich unvoreingenommen den existenziellen Erfahrungen von Religion, Liebe und Moralität zu öffnen.
    Einstein, der nur bis zu einem Pantheismus vordrang, also dem Glauben, dass Gott sozusagen identisch ist mit der Natur, hat den Glauben an einen Sinn des Ganzen sogar für einen Antrieb seiner physikalischen Forschungen gehalten. Sein Ausspruch »Der liebe Gott würfelt nicht« lässt das Bemühen um das Auffinden von Gesetzmäßigkeiten der Welt zumindest auf eine religiöse Ahnung zurückgehen. Denn warum sollte eine große gottlose und sinnlose Welt nicht schier unberechenbar komplizierte Zusammenhänge haben?
    Der Philosoph Ludwig Wittgenstein hat in seinem berühmten »Tractatus« geschrieben: »Die Welt ist alles, was der Fall ist … Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.« Das wird immer gerne von Positivisten zitiert, die nichts für wahr halten als das, was man sehen und messen kann. Doch sie wissen nicht, dass der Text das ganz anders meint, denn Wittgenstein schreibt im selben »Tractatus«: »Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mystische.« Die Fülle dessen, was wir im Leben erleben, auf das zu reduzieren, was die Wissenschaft beschreiben kann, hieße, die unglaubliche Lebendigkeit eines Menschen lächerlicherweise auf ein paar Formeln zu reduzieren. Ludwig Wittgenstein endete als frommer Mensch.
    Gerade große Wissenschaftler wussten schon immer sehr gut, dass ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis nur ein Ausschnitt offen steht und dass sie damit nicht die wahre Welt erfassen. Und so können solche Wissenschaftler einen Sonnenuntergang wirklich genießen, ohne sich dauernd sagen zu müssen, dass das letztlich doch auch nur alles bloß Wellen und Elementarteilchen sind. Denn ein Sonnenuntergang besteht eben nicht bloß aus Wellen und Elementarteilchen, sondern aus viel mehr – auch beim heutigen Stand der Wissenschaft!
     
    Es ist also nicht die Wissenschaft, die die Welt einfältig macht und damit fälscht, ihre ideologischen Propagandisten sind es, die sie fälschen, und die Menschen lassen es sich gerne gefallen. Weitaus die meisten Menschen sind gar keine Wissenschaftler, aber je weniger sie die Wissenschaft wirklich kennen, desto mehr ist Wissenschaft für manche so etwas wie eine Gralsburg der Wahrheit, die den Schlüssel zur Erkenntnis des Ganzen birgt. Denn wenn die kuschelige kleine Welt des Milieus die Sehnsucht nach einem Gefühl der Geborgenheit befriedigt, dann bietet ein holzschnittartiger Wissenschaftsglauben scheinbar die Antworten für alle übrigen Fragen. Auf diese Weise lässt die Welt, in der so jemand

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