BLUFF!
entgeisterten nationalen, internationalen, universalen »Supermegastars«, dass jeder mal Pech haben kann und dass nun mal leider Möglichkeiten noch nicht automatisch handfeste Wirklichkeiten seien, lässt sie ihre Wunden lecken und geht zum nächsten ultimativen Casting über.
In Wahrheit ist der ganze künstliche Trubel eine einzige Fälschung, auf Kosten von Kandidaten und Publikum und zugunsten lukrativer Werbezeit für Müller-Milch. Dennoch übt diese gefälschte Welt auf leicht beeinflussbare junge Menschen eine unglaubliche Faszination aus. Für manche Teenager scheint sie wichtiger zu werden als Familie, Freunde, Schule, für sie ist das echt, was für die Macher, die Profiteure der Lüge, bloß ein großes Geschäft ist. Wenn ein Mensch ganz in diese künstliche Welt eintaucht, dann ist aber für so jemanden eine Instanz, die höher steht als »die Jury«, im Grunde nicht denkbar. Für Gott, auch wenn es ihn gäbe, ist da gar kein Platz, auch wirkliche Uneigennützigkeit passt nicht in den ultimativen Wettstreit, höchstens ein paar gut eingesetzte, sympathisch wirkende Gesten gegenüber den Konkurrenten, die die eigenen Chancen verbessern, und wirkliche Liebe schließlich würde inmitten all der bombastisch inszenierten künstlichen »Gefühle« geradezu lächerlich wirken. Die echte, die existenzielle Welt kann prinzipiell in dieser Castingwelt gar nicht vorkommen.
Schönheitswettbewerbe sind nicht bloß Teil des durchgeknallten Castingrummels, sie öffnen den Blick auf die Fälschung der Welt schlechthin, den allgemein grassierenden Schönheitskult. Nun haben sich zu allen Zeiten Frauen und Männer darum bemüht, unter Einsatz ziemlich raffinierter Mittel fürs andere Geschlecht attraktiver zu wirken, als sie bei Licht besehen eigentlich sind. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch inzwischen ist es einer gigantischen Schönheitsindustrie gelungen, eine ganze Gesellschaft mit Erfolg in den Schönheitswahnsinn zu treiben. Auch hier geht es im Wesentlichen darum, Kasse zu machen.
Die eifrige Propagierung eines dauerhaft niemals erreichbaren Schönheitsideals und die gleichzeitige Bereitstellung höchst kostspieliger Mittelchen ist ein enorm gewinnbringendes Geschäftsmodell. In Wahrheit stürzt dieser Massenwahn alle mehr oder weniger hässlichen Menschen – und mehr oder weniger hässlich sind genau besehen alle Menschen – ins kostspielige Unglück. Denn am Ende ist bekanntlich nichts mehr zuzuspachteln, aufzupumpen und hochzuziehen, am Ende treibt die Gravitationskraft jeden zeitweiligen Ausbund an Schönheit faltenreich Mutter Erde zu.
Die verheerenden psychischen, gesundheitlichen und finanziellen Nebenwirkungen des außer Rand und Band geratenen Schönheitskults sollen hier aber gar nicht verfolgt werden. Hier interessiert uns etwas anderes. Denn auch der Schönheitskult betreibt die Fälschung der Welt. Nicht bloß durch die Produktion von prekären Plastikschönheiten, die in Wahrheit nicht schön, sondern nur blendend aussehen. Vor allem ist es die machtvolle Suggestion, Schönheit sei das Nonplusultra, die fatale Folgen hat. Schönheit, so raunen all die gierigen ästhetischen Fälscher, sei sozusagen dasjenige, worüber hinaus nichts reiche. Das war im Mittelalter ziemlich genau die Definition Gottes. Und tatsächlich, wenn man manch ein junges Mädchen heute vor die Wahl stellen würde, es könne entweder für eine gewisse Zeit so schön aussehen wie das angesagteste Model oder es könne das ewige Glück, den Himmel, das Paradies, wie man früher sagte, erlangen, nicht auszuschließen, dass die Wahl auf das höchst vergängliche maskenhafte Modelaussehen fallen würde. Wenn so etwas aber ganz selbstverständlich als das Höchste gilt, dann ist die Fälschung komplett gelungen, und es gibt darüber hinaus für Gott, für Liebe, für Moralität gar keinen Platz mehr. Dann wirken diese wirklichen existenziellen Aspekte des Lebens gegenüber den mit Hilfe von Computerprogrammen gefälschten bunten inszenierten Bildern in den Modemagazinen merkwürdig blass und unwirklich. Dann hat der Irrtum gesiegt.
5. Produzenten des Scheins –
Spirituelle Prothesen oder Religionen aus dem Baumarkt
a) Wie man den Tod vermeidet
Es gibt ein Problem mit dem ewigen Leben.
Die Sehnsucht danach existiert, seit es Menschen gibt, aber erstmals seit Bestehen der Menschheit sind Menschen in Mitteleuropa nicht mehr so ganz sicher, ob nicht vielleicht doch mit dem Tod alles aus ist. Weil freilich die Sehnsucht
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