Blumen für den Führer
ihren Koffer bis zum Bahnhof tragen wollte, sagte Lisbeth Lebewohl in einem Ton und mit einem Ausdruck in den Augen, der Waltraut traurig stimmte und sie auch später noch betroffen werden ließ.
Auf der Straße, nachdem sie ein Stück gegangen waren, sagte der Mann mit einem Mal: »Sie haben ja gesehen, wie verliebt sie ist. Und wissen Sie, in wen?« Er lachte bitter. »Ich verzeihe ihr, sie hat viel Temperament, verstehen Sie?«
»Ein bisschen«, sagte Waltraut. »Von Frau zu Frau …« Sie mussten beide herzlich lachen.
Dann hörten sie ein Motorenknattern und erkannten es sofort. Aus einer Gasse kam Korffs Gespann herangefahren.
Waltraut fühlte einen Stich im Herzen, als hätte man ein Messer darin herumgedreht. Der Mann, der auf dem Sattel saß und lenkte, war Kiank. Er sah sie nicht und dröhnte mit nach vorn gestrecktem Kopf vorbei. Waltraut wollte etwas rufen, aber ihr Mund war pulvertrocken und sie kriegte keine Luft. Mitten auf dem Gehweg blieb sie stehen.
Der Wirt stellte den Koffer ab. »Wer ist denn das gewesen?«
Waltraut atmete mit Mühe. Dann nannte sie den Namen. Der Wirt griff zu und stützte sie.
Der Mann im Lift
R eni hatte sich noch nie so stolz und glücklich gefühlt wie mit Jockel in dem wunderbaren Auto. Die Bäume der Chaussee waren rechts und links vor dem Himmel nur so vorbeigeflogen. Sie hatte die Seitenscheibe herabgesenkt und die Hand in den Fahrtwind gehalten, der sie wie ein Segel hin und her bewegte. »Luft ist fest!«, hatte sie in das Motorenbrausen gerufen und die ganze Fahrt damit zu tun gehabt, vor Glück nicht loszuheulen.
Sie war so froh, dass sie Jockel hatte trösten können, indem sie sagte: »Er hat nicht dich gemeint. Es war der Bauer, den er treffen wollte. Schlömer, du Hund , hat er gerufen.«
Jockel hatte das Auto an einer Wiese voller bunter Sommerblumen angehalten, ihre Hand genommen und sie auf seine nasse Wange gedrückt. Es war so schön und zärtlich zwischen ihnen. Sie weinte mit ihm, musste sich zusammenreißen,
um einen Rest Beherrschung zu behalten, sonst wäre sie vollkommen eingetaucht in das Gefühl.
»Ich will nicht, dass du weggehst«, sagte sie. Sie wollte, dass er wusste, was sie fühlte. »Findest du mich kindisch?«
»Wir sind beide kindisch, weil wir diese Fahrt machen, Reni. Und ich bin daran schuld, weil ich in das Auto eingestiegen bin. Zum zweiten Mal nicht nachgedacht: erst im Streit mit Hannes und nun das hier …«
»Aber wir fahren ja zurück, mein Vater kriegt das Auto wieder und es ist nichts kaputtgegangen. Der Chauffeur wird schimpfen, weil mein Vater ihm die Schuld an allem gibt. Und ich höre jetzt schon Fräulein Dohm … Das ist unsere Hausdame. Sie hasst mich, weil mein Vater bis vor ein paar Tagen sozusagen ihr allein gehörte. Jetzt muss sie Komtesse Renata zu mir sagen.«
»Ich komme einfach wieder«, sagte Jockel. »Wenn ich Matrose bin und du bist Ärztin, dann komme ich zurück. Bis dahin schreiben wir uns Briefe. Ich schreibe aus New York.«
Reni fand, dass es ein wunderbarer Plan war. »Ich schreibe aus Berlin und Afrika, wen ich dort kenne und was ich schon geschafft habe oder auf welcher Soiree ich gerade war …«
»Dear Reni«, erzählte Jockel und bekam einen feuerroten Kopf dabei, »yesterday we reached the harbour of Singapore. It is not a real harbour at all. Ships anchor offshore so that the sea is practically scattered with dozens of small and larger vessels …« Er löste seine Hand aus ihrer und ließ den Motor an.
Die Reifen schmatzten leise auf dem Straßenboden, der Wind strich Reni durchs Gesicht, und sie fing an, ihre ganze Hoffnung auf den schönen Plan zu richten, dass sie einander schreiben und sich wieder sehen würden. Später.
»Sonst macht das Leben keinen Sinn«, sagte sie laut. Ihr
schien, dass Jockel sie verstanden hatte, denn er nickte. Es war, als wären sie auf eine geheimnisvolle Weise eins, verschmolzen miteinander, als fühlten sie zur selben Zeit das Gleiche.
Aber der Gedanke machte ihr auch Angst, denn wenn sie beide so verbunden waren, wie sollten sie sich trennen – in einer Viertelstunde, wenn sie auf Gut Haardt eingetroffen waren?
»Wie soll das gehen? Das halten wir nicht aus«, sagte sie leise, und Jockel blinzelte, weil er bestimmt auch dieses Mal verstanden hatte, was sie meinte.
»Wir müssen «, sagte er und wiederholte es.
Draußen zogen die Felder vorüber. In der Ferne arbeiteten wieder Knechte, Mägde und Taglöhner. Sie waren tief gebückt und sahen
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