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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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und die Knechte standen in der Nähe. Sie redeten. Unter dem Torbogen blieb Jockel stehen. Die Männer sahen ihn und schwiegen, auch der Vater drehte sich herum. Er hieb die Gabel in den Mist und starrte her.
    »Dort, siehst du das?«, rief Jockel und zeigte hinter sich auf Reni und das Auto. »Der Mercedes gehört dem Grafen. Und das ist seine Tochter. Ich bin sein neuer Lehrling. In einem Jahr bin ich Chauffeur und trage Uniform … Jetzt hast du was zu staunen, oder?« Er spähte aufmerksam, verfolgte jede Regung. Der Vater formte Fäuste. Jockel fasste neuen Mut und schrie: » Du kannst nämlich gar nichts, das Einzige ist prügeln. Aber bei deinen Söhnen ist es anders: Helmuth wird Steuermann, gegen deinen Willen! Und ich?« Er zeigte wieder auf
den Wagen. »Da siehst du es, schau hin! Das wird aus mir!« Das Schreien fiel ihm leichter, als Jockel angenommen hatte, es machte sogar Spaß, es tat ihm in der Seele gut!
    Einer der Knechte machte sich bereit, er lehnte seine Forke an die Wand.
    Jockel rief dem Vater zu: »Hast du nie Angst gehabt, dass wir uns rächen werden?« Er stemmte die Hände in die Taille und sah dem Knecht entgegen. »Und du, du Ochse …?« Der Knecht springt an wie der Mercedes , dachte er und musste lachen. Jetzt gibt es Streit.
    Bauer Schlömer marschierte los und brüllte: »Das war wohl nie genug, was euer Vater euch verabreicht hat!«
    Die Männer kamen drohend näher. Dann überschlugen sich die Dinge: Der Vater zog die Gabel aus dem Mist, schrie wie außer sich etwas, das Jockel erst beim zweiten Mal verstand. »… Du Hund, du! … Du verdammter Hund! …«
    Der Vater hob die Gabel. Jockel musste fliehen, sonst würde er das Auto nicht erreichen. Er drehte sich herum und rannte. Im Laufen hörte er den Schrei. Vor dem Wagen blieb er stehen. Reni bedeckte mit einer Hand den Mund und staunte mit weit aufgerissenen Augen. Jockel schaute über seine Schulter und war im ersten Augenblick zu überrascht, um zu begreifen, was geschehen war. Bauer Schlömer lag bäuchlings auf dem Boden, wand sich und wimmerte. In seiner dunkelgrünen Lodenhose, dort wo sein fetter Hintern war, stak schief die Zinkengabel – es sah so widersinnig aus, dass selbst die Knechte einen Moment nur gafften. Dann prusteten sie los.
    Jockel rannte um das Auto und stieg ein. Er hörte Renis Tür zuschlagen und ließ den Motor an. Er blickte in den Spiegel, niemand folgte ihnen, keiner der Männer lief auch nur durchs Tor, um ihnen hinterherzuschauen.

    »Der wollte mich erwischen!«, rief er. »Der wollte mich erstechen, dieses Schwein!« Er fühlte, wie ihm die Tränen in die Augen schossen.
    Reni berührte seine rechte Hand am Lenkrad. »Hast du denn nicht gehört, was er gerufen hat?«
    Er sah sie an und schüttelte verwirrt den Kopf.
    Dann sagte sie: »Er hat nicht dich gemeint. Es war der Bauer, den er treffen wollte. Schlömer, du Hund , hat er gerufen, und immer wieder neu.« Sie drückte zärtlich seinen Arm und fragte noch einmal: »Hast du das nicht gehört? Schlömer, du verdammter Hund …! So heißt der Bauer doch.«
    Jockel schniefte. Er hielt das Auto an und starrte geradeaus.
    »Ja«, sagte er, nahm Renis Hand und drückte sie auf seine nasse Wange.

Purpurroter Lippenstift
    A ls Waltraut die Polizeiwache verließ, tauchte Kiank auf, wie zufällig, aber ziemlich ungeschickt. Er versteckte sich hinter einer Zeitung, über der er immer wieder hervorlugte, blieb vor einem Schaufenster mit Damenmänteln stehen und hörte nicht mehr auf, Waltraut zu verfolgen.
    Auf der Wache hatte man sie zusammen mit der geschlagenen Frau eine Weile warten lassen. Nichts war geschehen, kein Protokoll, nicht mal ein Zimmerwechsel. Frau Goldschnigg wurde wieder rausgeführt, und wenig später war ein Beamter in den Raum gekommen, der Waltraut wortlos bis zum Ausgang
brachte. Man gab ihr ihren Koffer und die Papiere, die man eingezogen hatte. Dann war sie plötzlich »frei«.
    Draußen lief sie ein paar Schritte einfach geradeaus, dann setzte sie sich erschöpft auf eine Bank, die unter einem Ahorn stand. Samenflügel wirbelten zur Erde – Waltraut traute ihren Augen kaum: Hausmeister Kiank marschierte rauchend auf sie zu. Er schaute sich nach allen Seiten um und spielte dümmlich den Verblüfften: »Det Fräulein Knesebeck! Überall treff ick Sie. Wolln Se uns nu doch verlassen?« Er zeigte auf den Koffer.
    Waltraut versteckte ihren Zorn. Sie lächelte sogar; es fiel ihr schwer, aber ihr Lohn war, dass er wirklich

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