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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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staunte. Er paffte Zigarettenrauch heraus und schob die nasse Unterlippe vor. »Freuen Se sich ooch, det wir jewonnen haben? Deutschland liegt jetzt vorne: einunddreißig Goldmedaillen …« Er nahm einen neuen tiefen Zug und deutete auf die eingerollte Zeitung unter seinem Arm. »Bloß komisch«, fügte er hinzu, »det manche immer weiter stänkern müssen, wa?«
    »Wer stänkert?«, fragte Waltraut. Sie fürchtete, dass er die Frechheit haben könnte, sich neben sie zu setzen, und zog den Koffer ein Stück näher.
    »Korff zum Beispiel«, sagte Kiank. »Ick habe dem jesacht, dass er sich mal nicht wundern soll, wenn ihm det eines Tages vorjerechnet wird … Die ewje Meckerei.«
    »Ich wusste gar nicht, dass er so viel meckert«, sagte Waltraut.
    »Na, komm Se!« Er zuckte skeptisch mit dem Kopf. »Se wissen janz jenau, wovon ick rede. Sie sind doch ooch so eine.«
    »Was für eine bin ich?«
    »Ick bin nicht dämlich, Fräulein Knesebeck, ooch wenn Se sich det denken.«
    »Also was für eine?«, hakte Waltraut nach. Sie konnte nur schwer an sich halten.

    »Na immer gegen allet. Hier is nüscht richtig, da is nüscht jut …« Er schüttelte den Kopf. »Det jeht so nicht. Se müssen einfach mal det Janze sehn, det Janze, Fräulein Knesebeck, det is die Zukunft, det müssen Se ma globen.«
    Ich glaube überhaupt nichts mehr, hätte sie fast erwidert, verkniff es sich jedoch. Etwas von seinem Rauch wehte zu ihr her, sie hob die Hand und wedelte.
    »Verzeihung, Gräfin! «, sagte Kiank und deutete eine Verbeugung an. »Unsereins ist Ihnen viel zu stinkig, oder? Aber die Zeiten ändern sich …« Er griente sonderbar. »Zum Bahnhof jeht det da lang!« Er nickte in die Richtung, tippte mit zwei Fingern gegen seine Schläfe wie zum Gruß und ging davon. Ein Stück entfernt wandte er sich um. Waltraut schaute weg. Als sie erneut hinsah, war er zum Glück verschwunden.
    Sie stand von der Bank auf, nahm ihren Koffer und schlug die Richtung zur Pension ein. Sie wollte Danke sagen, bevor sie Fulda mit dem Zug verließ. Außerdem hatte sie den Plan, Korff zu erzählen, dass sich Kiank weiter schamlos als Spion betätigte. Sie würde eine Nachricht hinterlassen; zu der kleinen Wohnung in dem Hinterhof, wo Jockel Unterschlupf gefunden hatte, konnte sie jetzt nicht mehr gehen. Wer außer Kiank hatte sie womöglich noch im Blick?
    Als Waltraut in der Pension eintraf, taten ihr die Füße weh. Die Wirtin Lisbeth trug eine fleckige Schürze und hatte staubige Hände, weil sie Kartoffeln schälte.
    »Ach, das Fräulein Knesebeck!«, rief sie freundlich, als sie den Besuch empfing. Sie hatte purpurrote Lippen. Ihr Mann hatte die Tür geöffnet, und als Waltraut in die Küche kam, hatte sie sofort gedacht, dass Korff entweder soeben hier gewesen war oder dass die Wirtin ihn erwartete – mit diesem weichen purpurroten Mund.

    Waltraut setzte sich und sagte: »Ich fahre weg aus Fulda.«
    Lisbeth goss ihr Kaffee in eine Tasse. »Den kriegen Sie, weil ich Sie mag. Haben Sie sich ordentlich zur Wehr gesetzt in Ulmengrund?«
    Waltraut bejahte, schränkte aber ein, dass sie erfolglos war.
    Die Wirtin widersprach: »Nichts da, von Erfolg war nie die Rede, sondern von Stolz und Ehre, bitte schön.« Sie spitzte ihre Lippen. »Ich kriege auch nicht alles, was ich will. Aber ich versuche es und lass mir da von niemand reinreden.«
    Ihr Mann hockte vor einem Küchenfenster und hantierte dort mit einer Eisenfeile, es quietschte manchmal grell und schmerzhaft in den Ohren.
    »Und wohin fahren Sie von hier?«, fragte Lisbeth und warf eine geschälte Kartoffel in den Topf. »Zu Ihren Eltern?«
    Waltraut nickte und verschwieg, dass ihr Vater nicht mehr lebte. Einen Moment dachte sie daran, es doch zu sagen und dass Korff sogar den Namen kannte und das grauenvolle Unglück, das ihm widerfahren war. Aber die Wirtin unterbrach sie: »Sie werden bestimmt noch eine gute Volksgenossin. Dann sollen Sie mal sehen, wie schnell Sie wieder eine Stelle haben. Seien Sie vernünftig. Die NS-Frauenschaft* tut viel für uns Frauen.«
    »Ja«, sagte Waltraut. Sie war nicht sicher, ob dieses Ja bloß höflich war oder ob sie wirklich daran dachte, sich dem Zwang zu beugen. Jedenfalls hasste sie Vereine, Mitgliedschaften und Versammlungen. Leise fügte sie hinzu, wobei sie Lisbeths Ehemann ansah: »Ich hoffte, Herrn Korff bei Ihnen anzutreffen.«
    »Hach!«, rief die Wirtin überrascht und schnalzte mit der Zunge. »Der Kerl ist bei uns eingeladen und sollte eigentlich

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