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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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verfolgte, was der Ober tat, der inzwischen einen anderen Gast bediente.
    »Seht ihr euch wieder?«, fragte sie. »Er kommt zurück, nicht wahr? Werdet ihr euch Liebesbriefe schreiben? Vergesst das bitte ja nicht, sonst geht das Leben hin und ihr habt nichts erlebt als gutes Essen, teure Pelze und ein paar nette Reisen.« Lydias Augen glänzten rötlich. Sie nahm das Cognacglas vom Tisch, prostete Reni zu und trank es leer.

    »Ich hatte bereits angedeutet, dass Emmy Sonnemann und ich … Wir haben eine Menge angestellt in unserer Jugend. Aber immerhin, wir haben die Gelegenheit ergriffen, als sie sich uns bot.« Sie schaute versonnen aus dem Fenster. Ein Dorf, Häuser, Höfe, Straßen tauchten auf und waren wieder fort, kaum dass man richtig hingesehen hatte.
    »Erzählen Sie mir davon?«, fragte Reni zaghaft. »Bitte.«
    Lydia hielt Ausschau nach dem Ober. Ihre kleinen Lippen waren sonderbar zerklüftet, der Lippenstift war auf der Innenseite blass geworden, aber die äußere Kontur war trotz des Cognacglases unversehrt.
    »Wir waren Anfang zwanzig. So furchtbar lange ist es gar nicht her. Wir besaßen wunderbare Kleider, die unsere Eltern niemals hätten sehen dürfen. Eine Freundin hob sie für uns auf, bei ihr zogen wir uns samstags um … Mein Gott!«
    Der Ober kam mit einem neuen Glas und nahm das leere mit. Er dienerte nicht mehr, fiel Reni auf.
    Lydia erzählte weiter. »Die Sache mit Silvester Braun begann erst später. Silvester hatte ein Lokal mit Tischen, auf denen Telefone standen. Es machte Spaß, weil man uns nie gezwungen hat. Wir waren unsere eigenen Herren …« Sie lachte. »Wir waren frei, verstehst du? Frei!«
    Sie trank, stellte das Glas ab und stützte das Kinn in eine Hand. Es sah aus, als ob sie in dem schönen, breiten Sessel absichtlich eine unbequeme Haltung eingenommen hätte.
    »Ich sag dir was, Reni«, fügte sie geheimnisvoll hinzu und machte ihr ein Zeichen, etwas näher zu kommen, damit sie leiser sprechen konnte. Reni beugte sich nach vorn. »Du bist eine Frau, auch wenn du noch ein junges Mädel bist, vergiss das nicht.« Lydia ließ sich wieder tiefer in den Sessel sinken. Ihre Hände fielen auf den Schoß.

    Für den Moment konnte sich Reni nicht entscheiden, wie sie reagieren sollte. Einfach tun, als hätte sie verstanden, oder sagen, dass ihr die Worte rätselhaft erschienen? Aber Lydia durchschaute sie auch dieses Mal.
    »Du weißt nicht, was ich meine, oder? Macht überhaupt nichts, Kind. Du wirst schon merken, wie der Hase läuft.« Sie nahm das Cognacglas und schwenkte ganz versunken.
    Es war ein schönes Bild, fand Reni, wenn auch sehr ungewöhnlich. Lydia ist eine Dame, dachte sie.
    »Nicht bloß ein Mädel«, wiederholte Lydia leise, »sondern eine wunderschöne Frau …« Dann führte sie das Glas an ihre Lippen und leerte es.
    Reni fragte: »Ihre Freundin … die Frau, die Ihre Kleider aufbewahrte … sie kannte Ihr Geheimnis, Sie mussten ihr vertrauen, oder nicht? Ging sie nie selber mit in das Lokal?«
    »Sie hatte Angst.«
    »O ja, gefürchtet hätte ich mich auch, vermutlich sogar sehr.« Reni berührte mit den Fingerspitzen ihren Mund. »Die fremden Männer …«
    »Selbstverständlich redet man nur mit den wirklich Netten.« Lydia hob das leere Glas in einer Weise, die Reni beinah übersehen hätte. Der Ober hatte einen Blick dafür, er nickte ebenso diskret. »Männer erzieht man sich, wenn man geschickt ist … und so erstaunlich hübsch wie du. Sieh nur, was Jockel für dich ausgefressen hat.«
    »Für mich?«
    »Für wen denn sonst?« Lydia zog eine ihrer dünnen Augenbrauen hoch. »Du weißt schon, was ich meine …«
    Der Ober kehrte wieder.
    Lydia betrachtete das neue Glas. »Du musst die Stärkere bleiben, Reni, darum geht es. Bei Jockel genauso wie bei Viktoria
von Dirksen … Keine Sorge, es gibt dort keine Telefone auf den Tischen.« Sie lächelte und schwenkte. »Ich wünsche mir nur, dass du etwas aus dir machst. Dass du deine Chancen nutzt. Missversteh das bitte nicht. Aber wenn man als Frau so wunderschön ist wie du, dann sollte alle Welt dir zu Füßen liegen …«
    »Lydia, du hast mir doch versprochen …«
    Reni fuhr erschreckt herum. Herr von Treschke stand schräg hinter ihr im Gang. Er legte eine Hand auf Lydias Schulter.
    Sie blickte zu ihm hoch. »Wir kommen gleich.« Sie behielt ihn fest in ihrem Blick, fasste seine Hand, die noch auf ihrer Schulter ruhte, und zog sie von dort weg, ohne sie loszulassen. Reni sah, wie sich die beiden

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