Blumen für den Führer
verspreche es. Ich kann mich nicht entscheiden, wer von Ihnen beiden schöner ist. Niemand wird es sagen können. Ich bin Ästhet, verstehen Sie?«
Reni sagte leise Ja und sah sich nach dem Vater um und Lydia. Aber beide waren im Gespräch mit anderen vertieft.
Storck reichte einem Diener, der vorüberging, sein Glas und zog an seiner Leine. »Floh, aufstehen, los! Wir machen einen kleinen Gang. Renata, Sie warten bitte hier. Ich bin sofort zurück und zeige Ihnen meine Leica drei . Sie werden Augen machen.«
Überall standen die Gäste in Gruppen zusammen. In Nähe der hohen Fenster waren lange, weiß gedeckte Tische aufgebaut. Dort war Gelegenheit, bequem zu essen. Es gab genügend freie Stühle. Das Büfett war übervoll. Reni schaute alles an; sie spürte immer noch die Blicke. Es war so vieles fremd. Lackschuhe, Westen, steife weiße Hemden, Seidenstrümpfe; sie fühlte ihre eigenen bei jedem Schritt. Man redete in fremden
Sprachen. Für eine Weile war sie froh, dass sie alleine war und gar nichts sagen musste. Sie nahm sich einen Teller und füllte ihn mit etwas Brot, Salat und Käse. Sie überlegte, ob sie ihren Vater fragen sollte – nach dem Wort, das ihr nicht aus dem Kopf ging – oder die Gräfin selbst. Verlobt . Sie fühlte sich noch immer alarmiert.
Sie setzte sich an einen freien Platz. Lydia entdeckte sie und kam recht aufgekratzt zu ihr.
»Was sagst du? Ist es nicht aufregend? Die vielen interessanten Menschen. Mit wem hast du geredet? Hast du Hans Grimm gesehen, den Schriftsteller, und unsern Fliegervizekommodore Udet? Wunderbar. Oder hast du etwa nur mit Storck gesprochen, bitte nicht! Mich langweilt dieser junge Mann, und dann sein eitler Tick mit dieser Katze …« Sie verdrehte die Augen.
Reni aß etwas von dem Brot. »Er hat gesagt, man redet über mich. Es heißt, ich sei verlobt. Was bedeutet das?«
»Storck?«, rief Lydia lachend. »So ein Unsinn. Dem darfst du gar nichts glauben, dieser Schmock mit seiner Leica . Er will ein Foto von dir machen, oder?«
Reni nickte.
»Verlobt!« Lydia schüttelte den Kopf. »Die Leute reden viel. Vermutlich meinen sie, dass Julius Schaub dich gerne kennenlernen möchte.«
»Wer ist das denn?«
»Ganz oben, Liebes. Persönlicher Chefadjutant des Führers, mit ungeheurer Nähe, wie sich denken lässt.«
»Ist er etwa hier?«
»Noch nicht. Sobald er da ist, bringe ich euch zusammen. Der Führer kommt um neun. Wenn du Schaub bis dahin kennst, macht das den allerbesten Eindruck, glaube mir.«
»Ich will es vielleicht nicht«, wandte Reni leise ein. Sie nahm die Gabel und aß Salat.
Lydia sah ihr zu und schwieg für eine Weile. Dann sagte sie: »Schau mal, solche Soireen wie diese hier, die haben nur den einen Sinn, nämlich dass sich fremde Menschen kennenlernen. Das ist nun einmal so.« Sie machte eine ernste Miene. Dann legte sie eine Hand auf Renis Arm. »Ich weiß schon, was du denkst. Aber siehst du auf den Tischen etwa Telefone? Du irrst dich, Reni. Es wird so furchtbar viel gequatscht, die Fantasie der Leute ist überreizt. Besonders die der Frauen, weißt du? Nein, da lauert nichts Gefährliches auf dich. Wenn Schaub hereinkommt, wird er dich sehen und entzückt sein. Das ist alles. So geht es jedem Mann. Und es ist nichts als höflich, sich ihm vorzustellen. Und deinem Vater hilft es sehr, es ist ihm sogar äußerst wichtig. Sieh es mal so: Er ist auf deine Hilfe angewiesen und er vertraut dir voll und ganz. Du bist das Teuerste in seinem Leben … in seinem neuen Leben sozusagen; du weißt ja, was ich meine. Er hat doch mit dir Pläne, und weil wir beide seine Freunde sind, wollen wir ihn beide unterstützen, oder nicht?«
Reni machte einen Schmollmund. Sie fühlte sich beschämt. Sie schob den Teller von sich weg, sah Lydia offen an und sagte wieder voller Überzeugung und mit keinem Zweifel in der Seele: »Ja. Natürlich. Verzeihen Sie mir bitte.«
»Ach, Renata, hier bist du! Guten Appetit!« Es war die Gräfin. Reni hatte sie nicht kommen sehen. »Rüdiger Storck lässt dir ausrichten, er habe alles für dich vorbereitet. Dort im Nebenraum, siehst du die grüne Tür?«
Lydia verzog den Mund. »Dass du ihr das zumutest.«
»Sie lernt, im Mittelpunkt zu stehen«, entgegnete die Gräfin. »Man kann und will nicht mehr zurück, wenn man einmal
hier gewesen ist.« Sie sah Reni an. »Ich irre mich doch nicht, Komtesse?«
Reni stimmte zu. Sie sah den Vater im Gespräch, drüben bei den Fenstern. Die Hände hielt er auf dem
Weitere Kostenlose Bücher