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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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Rücken und stand ein wenig vorgebeugt, es wirkte ernst und interessiert. Sie wollte ihn nicht mehr enttäuschen. Obwohl es immer wieder Augenblicke gab, in welchen sie an Jockel dachte und wie es um ihn stand. Bestimmt war er schon auf dem Weg nach Hamburg.
    Sie stand auf und nickte Lydia freundlich zu. »Kommen Sie mit?«
    »Gerne. Wir wollen doch alle sehen, was Rüdiger verbrochen hat«, sagte die Gräfin.
    Der junge Storck war emsig. Ein Diener trug soeben einen der Gladiolensträuße vom Eingang durch den Saal zu ihm in das grüne Nebenzimmer. Man schob die Vase hin und her. Vor dem Sessel lag, die Pfoten wieder vorgestreckt wie eine Sphinx, Floh, das kleine Raubtier, auf dem Boden. An ihrer Seite standen zwei schlanke Negermasken aus schwarzem Holz mit großen, roten Mündern, und als Augen hatten sie tote schräge Löcher, es sah unheimlich aus. Ein paar Gäste standen in der offenen Tür und schauten zu, wie Storck die Dinge arrangierte. Unter ihnen die anderen Mädchen. Sie reckten ihre Hälse.
    Mädchenblüten , dachte Reni.
    Storck gab ihr einen Wink. Sie ging zu ihm, raffte ihr Kleid zusammen und setzte sich ins Zentrum des Geschehens. Die Sesselpolster waren breit und tief. Floh wurde vom Saum des Chiffonkleids gestreift, sie drehte ihren schönen Kopf. Storck sagte etwas zu ihr mit gedämpften Worten.
    Auf dem Boden lag die offene Lederbox der Leica . In einiger
Entfernung spreizte sich der Dreifuß des Stativs. Der Fotoapparat stand obenauf und funkelte geheimnisvoll. Reni fühlte, dass das Fotografiertwerden diesmal anders war als die Male in Haus Ulmengrund. Hier war sie nicht gezwungen, Menschen anzuschauen, die sie kannte – und die sie kannten. Es war auszuhalten, es war sogar ein bisschen angenehm und spannend. Sie merkte, dass es sie nicht scherte, was die Leute dachten. Sie mochten neidisch sein, blickten aber nicht verächtlich. Der Gräfin sah man sogar Stolz an, sie machte Reni Mut mit ihren Blicken.
    Storck ging zu seiner Leica , schaute durch den Sucher und kam zurück. Er schob die Holzmasken nach vorn, stellte die Blumenvase mit den Gladiolen auf die andere Seite und sah Reni immer wieder prüfend an. Richtete das Kleid, das rote Cape, zupfte hier und dort an ihrem Haar herum und hatte dabei riesengroße Kinderaugen. Er flüsterte: »Komtesse, Sie müssen damit rechnen, dass diese Aufnahme in der BIZ auftaucht. Ich bin nicht ganz unbekannt dafür.«
    Reni erschreckte sich ein wenig. Aber der Gedanke gefiel ihr. Was würden die Mädel in Ulmengrund wohl sagen, wenn Frau Misera die Fotografie in einer Zeitung sähe? Liest auch der Führer die Berliner Illustrirte Zeitung …?
    »Habe ich Ihr Einverständnis?«, fragte Storck.
    Reni war einen Moment lang irritiert und sah ihn fragend an.
    »Nicht dass Sie mir nachher böse sind, wenn man Sie darauf anspricht«, setzte er hinzu. »Am Ende werden Sie berühmt …« Er lachte, nahm wieder Abstand, prüfte und stellte abermals die beiden Negermasken um. Er hüpfte hin und her. »Achtung!«, rief er Reni freundlich zu.
    Sie schaute in dem Augenblick zur Tür und war verwundert,
weil dort mit einem Mal Soldaten standen. Die Gäste machten ihnen Platz. Reni wusste nicht, was für eine Miene sie nun machen sollte. Wollte Storck sie lächeln sehen oder lieber nicht? Er drehte an der Leica , dann knipste er, stellte neu ein und knipste wieder.
    »So!«, rief er. »Zwei Bilder sind im Kasten. Aber jetzt werden wir noch besser …«
    »Sagen Sie mal, junger Mann, was soll das eigentlich werden?«
    Die Stimme kam aus der Mitte jener Gästegruppe, die sich an der Tür versammelt hatte. Sie war nicht laut und für einen Mann vielleicht etwas zu hoch. Der Gast trat vor, er trug den gleichen Smoking wie die anderen Herren in dem Saal. Er war nicht jung, hatte ein rundes, nicht unfreundliches Gesicht, sein Haar war schütter, mittelbraun und streng zurückgekämmt, die Stirn war an den Seiten hoch. Nichts an ihm fiel Reni als besonders auf.
    »Geben Sie mir eine Antwort?«, sagte der Mann.
    Storck war plötzlich weiß wie Leinen, er stand steif da und wusste scheinbar überhaupt nicht, was er sagen sollte. Auch die Gräfin, die jetzt bei ihm stand, schien wie gelähmt. Sie flocht die Hände ineinander und hielt sie vor dem starken Leib in halber Höhe vor sich hin und sie verlor die Farbe auf den Wangen.
    Die Wachsoldaten waren in den Nebenraum gekommen und hatten sich verteilt. Es waren vier, sah Reni. War denn der Führer etwa schon im Saal? Es war erst

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