Blumen für den Führer
Wort hatte Reni noch nie gehört. Sie lächelte verlegen und machte einen federleichten Knicks.
»Ist sie nicht ein Engel?«, sagte Lydia.
Aber die Gastgeberin reagierte nicht darauf. Sie blickte Reni lange an, dann drehte sie den Kopf und spähte in den
Saal. »Wo ist unser Chefadjutant Schaub? Ist er überhaupt schon da? Ich bin sehr gespannt, was er zu diesem Engel sagt.«
Reni war verwirrt, weil ihr der Name nicht viel sagte. Lydia lachte hell. Der Vater suchte Gesichter, die er kannte. Herr von Treschke hatte sich ein Glas genommen und redete bereits mit einer anderen Dame. Diese schüttelte den Kopf und hörte nicht mehr auf damit, bis Reni merkte, dass jenes Wackeln irgendeine Krankheit war.
»Darf ich die Komtesse entführen, Ferdinand?«, fragte die Gräfin. »Sie bekommen sie unversehrt zurück.« Reni entsann sich Lydias Bemerkung in dem Restaurant. Unversehrt. Viktoria von Dirksen hakte sich bei Reni ein und zog sie mit sich.
»Zuerst möchte ich dich einigen Herrschaften vorstellen. Die warten schon auf dich.«
»Auf mich?«
»O ja, mein Kind.« Die Gräfin trug ein helles, hochgeschlossenes Abendkleid aus festem Stoff. Sie war korpulent und hatte rot gefleckte Hände. Um die Schultern trug sie einen weißen Pelz. An einem Ende sah man Pfötchen niederhängen. Vor einer Gruppe blieb sie mit Reni stehen. Es waren durchweg ältere Gäste, Reni schätzte sie auf über vierzig. Sie hörte Namen, lächelte und reichte ihre Hand. Die Herren beugten sich nach vorn, bei manchen spürte sie die Lippen oder das Piksen ihrer Bärte auf der Haut. Die Damen nickten freundlich, manche etwas bitter, andere sagten mütterliche Worte, alle nannten sie sofort »mein Kind«. Es gab auch eine Reihe hübscher Mädchen. Sie saßen zusammen und tranken Brause, wie es schien.
Einen Namen hatte Reni schon einmal gehört. Es war der einer älteren Dame.
»Frau Storck! Wie schön!«, sagte die Gräfin. »Ich habe Rüdiger noch nicht gesehen …«
Frau Storck deutete durch den Saal. Reni folgte ihrer Hand und fühlte einen sonderbaren Schreck. Ein Stück entfernt lag eine große, wunderschön gefleckte Katze, die großen Pfoten waren vorgestreckt. Es war der junge Leopard, von dem Frau von Dirksen vor vierzehn Tagen an ihrem Tisch gesprochen hatte.
Die Gräfin führte Reni hin. »Rüdiger! Ich freue mich, dass Sie gekommen sind. Und nicht alleine, wie ich sehe.« Sie deutete auf den Leopard. »Hat er sie schon gesehen?«
»Wenn Sie das Tier meinen: Er ist eine Sie, Gräfin. Mein kleiner Floh . Der Führer wird ihn lieben.«
»Floh!«, wiederholte Viktoria von Dirksen. »Darf ich Ihnen die Komtesse Renata vorstellen? Sie ist die Tochter des Grafen Haardt.«
Reni machte einen Knicks. Die Katze schaute zu ihr hoch, sie hatte kleine, schön geformte blaue Augen, in deren Mitte die Pupillen gar nicht katzenhaft erschienen. Sie waren kugelrund. Aus der Entfernung hatte Reni einen Augenblick geglaubt, die Katze sei ein ungewöhnlich hübsches Stofftier.
Rüdiger, »der junge Storck«, war wirklich jung; er schien kaum älter als sie selbst zu sein. Er hatte ein schmales, mädchenhaftes Gesicht mit bleicher, reiner Haut – die gleichen blauen Augen wie sein Leopard, dachte Reni. Aber sein Blick ist stechender. In einer Hand hielt er ein schlankes Champagnerglas, in der anderen eine Lederleine, die zu der Katze führte. Er sagte ihren Namen, schnalzte. Floh sah ihn an und gähnte. Dann wischte sie mit ihrem Schwanz ein paarmal das Parkett.
»Ich lasse euch allein«, sagte Viktoria von Dirksen. Sie
drückte Renis Arm und lächelte. »Sei ein bisschen mutig«, setzte sie hinzu und ging davon.
»Sind Sie so ängstlich, dass die Gräfin so was sagen muss?«, fragte Storck.
Reni schüttelte den Kopf.
»Dann halten Sie mal bitte!« Er reichte ihr die Leine. »Floh ist harmlos, verspielt und zärtlich.«
»Sie ist ein Raubtier«, sagte Reni und tat, als sähe sie die Leine nicht.
»Das will sie vielleicht werden.« Storck lachte herzlich. »Nein, stellen Sie sich einfach eine Katze vor. Floh ist eine Abkürzung. Eigentlich heißt sie Floda und hat Rasse … ich meine wirklich Rasse: Floda von Thirle-Surabaya.«
»Wie bitte?« Reni lachte mit ihm.
»Sie glauben es mir nicht? Ihre Mutter ist eine echte Javanesin und der Vater stammt aus Südwestafrika. Das allerbeste Blut.« Storck streckte ihr wieder die Lederleine entgegen. »Nun nehmen Sie schon! Sie können Floh auch streicheln.«
»Oh, nein danke, Herr Storck.« Reni
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