Blumen für den Führer
»Der Führer jeht zu Hanussen*, dem Wahrsager. Sacht Hanussen: Führer, Se werden annem jüdischen Feiertach sterben. Fracht der Führer: An welchem denn? Antwortet Hanussen: Jeder Tach, an dem Sie sterben, wird een jüdischer Feiertach sein, wa?«
Waltraut musste lachen. Kiank blieb ernst. Ihr Gesicht versteinerte. Dann prustete er los.
Das Wunder
T atsächlich tauchte der Pilot nach über zwei Stunden mit einem Automobil und einigen seiner Kameraden auf. Hinter dem Wagen polterte ein langer, in den Kurven gefährlich ausschwenkender Anhänger, der aussah wie das Skelett eines Seeungeheuers.
Sofort liefen Jockel, Helmuth, die Erzieherin und sämtliche Mädel zu der Wiese, auf der das Flugzeug lag, und schauten zu, wie erst der eine, dann der andere Flügel abgebaut und der Länge nach hochkant auf den Anhänger montiert wurden. Als der Rumpf ebenfalls mit Stangen und Gurten festgemacht worden war, setzte sich das Gespann wieder in Richtung Wasserkuppe
in Bewegung. Jockel hatte mit anfassen dürfen und blickte dem Zug wehmütig hinterher, wie er hinter einer Biegung verschwand und nur noch eine Staubwolke zurückließ, die der laue Wind träge in die Höhe steigen und sich auflösen ließ.
Die Sonne stand tief. Die Erzieherin gab das Kommando zum Abmarsch und die Mädchen traten den Heimweg an. Die beiden Brüder folgten ihnen in einigem Abstand, und es entging Jockel nicht, dass Reni ein paarmal den Kopf drehte und zurückschaute.
»Schön ist sie ja, verdammt«, sagte Helmuth, der längst eingesehen hatte, dass er seinen Bruder nicht würde umstimmen können. »Aber solche Schönheiten gibt es in jedem Hafen dieser Welt.«
»Nicht diese«, erwiderte Jockel und trat einen großen Kiesel aus dem Weg. Er fasste Mut und wurde plötzlich schneller, überholte die Erzieherin und ein paar der anderen Mädel, bis er auf Renis Höhe war.
»Hast du Lust, mal zur Wasserkuppe mitzukommen?«, fragte er.
Reni hielt eine Hand vor den Mund und wechselte ein paar Blicke mit ihren Nachbarinnen.
Das Mädchen neben ihr hatte braune Zöpfe, die unter ihrem Kopftuch hervor bis auf die Schultern hingen.
»Bist du auch Flieger?«, fragte es ihn.
Jockel wartete, dass Reni etwas sagte. Als sie schwieg, antwortete er: »Nein, ich darf nicht.«
»Weil dein Vater es nicht will, das haben wir gehört«, ergänzte das Mädchen neben Reni keck. »Weißt du was? Sei froh, dass du einen Vater hast. Reni und ich haben keinen. Sogar die meisten von uns.«
Mit einer solchen Antwort hatte Jockel nicht gerechnet. Er hatte nicht gewusst, was für eine Art Pensionat Haus Ulmengrund eigentlich war.
Er wurde langsamer, fiel ein Stück zurück und spürte die Blicke der anderen Mädel, die hinter Reni gingen und zugehört hatten.
»Ich wusste nicht, dass Ulmengrund ein Waisenhaus ist.«
»Dann weißt du’s jetzt«, rief die mit den braunen Zöpfen, ohne sich umzudrehen. Sie hatte sich bei Reni untergehakt und zog sie nach rechts, von Jockels Seite weg.
Er ließ sich weiter zurückfallen. Noch einmal aufholen, um Reni anzusprechen, wollte er nicht. Bestimmt mochte sie ihn nicht und damit musste er sich abfinden. Was hatte er ihr auch zu bieten? Im besten Fall die Lüge, er werde morgen nach Hamburg fahren und dort an Bord eines Dampfers gehen, der ihn nach Neuyork bringt.
»Du da, junger Mann!«
Die Erzieherin meinte ihn. Er sah sie an. »Was denkst du dir eigentlich dabei, dich da frech unter die Mädel zu mischen?« Sie wandte sich an Helmuth, der hinter ihm ging. »Sie sind doch erwachsen. Können Sie Ihren Kollegen nicht in Zaum halten?«
»Er ist mein Bruder und er ist ganz in Ordnung«, antwortete Helmuth.
Jockel ging jetzt allein.
Ein Stück vor ihm gingen die Mädchen und die Erzieherin, hinter sich hörte er Helmuth ein paarmal kess pfeifen. Bestimmt, um die Erzieherin zu provozieren. Ganz einverstanden war Jockel damit nicht, obwohl sie es verdiente.
Dann geschah ein Wunder. Reni löste sich plötzlich aus der Gruppe, drehte sich nach ihm um und wartete, bis er bei ihr
war. Sie ging neben ihm. Die Mädel tuschelten natürlich, drehten sich um und lachten. Die Erzieherin griff nicht ein.
»Kannst du deinem Vater nicht sagen, wie wichtig dir das Fliegen ist?«
Jockel fühlte sich benommen. Er freute sich.
»Das hast du natürlich längst versucht«, antwortete sie selbst.
»Sinnlos«, sagte er. »Stur wie ein Ochse.« Dann fügte er hinzu: »Wenn jemand anders mit ihm reden würde … der Pilot des Rhönfalken
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