Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
Vom Netzwerk:
sagte Reni, weil sie das plötzlich kapierte. »Und
dort hinten war keine warme Luft mehr, deshalb musste das Flugzeug hier landen.«
    »Genau.«
    »Und warum war dort keine warme Luft mehr?«
    »Weil die Luft irgendwo auch wieder runtermuss.«
    Sie nickte.
    Er sagte: »Luft ist nun mal unsichtbar. Der Pilot braucht Glück.«
    »Und was macht er jetzt?«, fragte Reni und blickte zu dem gelandeten Segelflugzeug, das inzwischen von allen Mädchen umringt wurde. Der Pilot war herausgeklettert und überragte sie mit seinem pechschwarzen Lederhelm, an dessen Seiten glänzende Ohrenschützer abstanden.
    »Er muss zum Startplatz zurücklaufen und kehrt mit seinen Kameraden zurück. Dann bauen sie die Flügel vom Rumpf ab und laden alles auf einen Automobilanhänger.«
    »Man kann es auseinandernehmen?«, fragte sie ungläubig.
    Jockel schaute her und irgendwie gefiel es ihr mit einem Mal. Auch dass er wenig Dialekt sprach, das war selten in der Gegend. Sein Bruder war ebenfalls zu dem Flugzeug gelaufen. Jockel und sie waren ganz allein in dem Feld, und jeden Moment würde es allen auffallen, dass sie hier alleine beieinander standen, auch der Erzieherin. Zum Glück stand der Junge etwas entfernt, fünf oder sechs Schritte immerhin. Es gefiel ihr, dass er nicht näher kam; es schien beinah, als spürte er, dass er sie erschrecken würde, wenn er näher käme.
    Er bückte sich und hob den Krug hoch. Trank einen Schluck. »Möchtest du?«
    Sie schüttelte sofort den Kopf. »Ich bin erkältet …«
    »Das macht mir nichts. Ich werde nie krank«, sagte er und lachte so offen, dass sie seine Zähne sehen konnte. Es waren
schöne, große weiße Zähne. »Kommst du mit rüber?«, fragte er. »Ich will mir das Flugzeug aus der Nähe ansehen. Es ist ein Rhönfalke *. Das erkennt man an dem V-förmigen Flügel …«
    Reni ließ ihren Unkrautstecher fallen und stiefelte los. Zwei Schritte auf Jockel zu, dann in die nächste Furche und parallel zu ihm weiter. Er wahrte seinen Abstand so, als ahnte er, dass es ihr gefiel. Und es gefiel ihr wirklich sehr.
    Als sie bei den anderen eintrafen, hatte der Pilot seine Lederkappe vom Kopf genommen und genoss es sichtlich, von den Mädchen und der Erzieherin angestaunt zu werden. Reni war darüber froh, weil der Junge und sie kaum Beachtung fanden.
    Das Flugzeug wirkte auf sie aus der Nähe stabil und zugleich zerbrechlich, weil es ganz aus Holz und Stoff gemacht war. Die Holme und Verstrebungen waren wuchtig, während unter der Bespannung des Flügels alles recht verletzlich aussah, dünne Spanten, Leisten, die nur in der Summe Festigkeit boten. Der Sitzplatz des Piloten war tief und eng, nur sein Kopf hatte herausgeschaut und sogar die Schultern waren vom honigfarbenen, gebogenen Sperrholz des vorderen Rumpfteils vor dem Fahrtwind geschützt worden. Das verringere den Luftwiderstand, erklärte Jockel. Der Mann hörte es und gab ihm recht.
    »Zu welcher Jugendfliegergruppe gehörst du denn? Ich habe dich bei uns noch nie gesehen.«
    »Zu keiner«, sagte Jockel leise.
    Der Pilot bedauerte es.
    Reni spürte Jockels Sehnsucht und Enttäuschung. Sie streifte ein paarmal seinen Blick und machte unauffällig einen Schritt in seine Richtung. Er stand im Schutz des Flügels,
der schräg in den Himmel zeigte und einen breiten Schatten auf den Boden warf.
    »So, meine Damen!« Fräulein Kaul klatschte in die Hände. »Der Pilot ist wohlauf, das Fluggerät ist intakt. Wir gehen jetzt zurück an unsere Arbeit!«
    Gemurre machte sich breit.
    Der Fliegerheld stemmte die Fäuste in die Taille. Er blinzelte in die Schönwetterwolken, wo entfernt zwei andere Segler in großer Höhe Kreise drehten. Fräulein Kaul ging vor und achtete darauf, dass man ihr folgte. Sie rief die Namen derjenigen, die bummelten. Reni und Friederike versteckten sich hinter dem großen Seitenleitwerk mit dem Hakenkreuz.
    »Willst du fliegen lernen?«, fragte Reni und sah Jockel das erste Mal richtig an. Dass Friederike bei ihr stand, gab ihr etwas Sicherheit.
    »Mein Vater verbietet es«, antwortete Jockel.
    »Na, na«, machte der Pilot, der in der Nähe stand. »Was ist denn das für eine Auffassung? Sag deinem Vater, dass wir jeden talentierten Jungen dringend brauchen.«
    Jockel wurde rot.
    »Wenn du willst, rede ich mit ihm. Wohnt ihr hier in der Nähe?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Wir müssen wieder rüber, gleich kommt der Bauer.« Er ging um das Flugzeug herum und folgte seinem Bruder, der sich schon auf den Weg gemacht

Weitere Kostenlose Bücher