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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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wehre. Ich könnte mit dem Grafen sprechen.«
    Korff hatte eine tiefe, ulkig raue Stimme. »Ich kenne den Herrn Grafen nicht. Jedenfalls ist er der Vorgesetzte der Misera. Ich wünsche Ihnen Glück. Leider ist der Junge krank, er ist mit hohem Fieber aufgewacht. Ich nehme an, er hat sich in Schwarzerden erkältet, als ich ihn halb erfroren auf der nassen Wiese fand. Ich hatte ja versprochen, den Jungen nach Norden mitzunehmen. Jetzt mache ich mir doch ein bisschen Sorgen.« Er holte Streichhölzer aus einer anderen Tasche und zündete die Pfeife an. Es roch angenehm süßlich. Waltraut kannte den Duft von klein auf und sah sofort den Vater, wie er an der Gartenmauer saß und paffte. Sie musste an das U-Boot denken, in dem er so lange eingeschlossen gewesen war. Und daran, dass Reni ihren Vater wiedergefunden hatte. Dann merkte sie, dass tief in ihrem Herzen Neid eingekapselt lag.
    Brot-Korff rauchte, als wäre die Welt in guter Ordnung. »Wenn das Fieber klettert, muss ich etwas unternehmen.« Er beugte sich vor und sagte durch die Tür ins Nebenzimmer: »Frau Lisbeth, haben Sie Medizin gegen Fieber?«
    »Für den Mörderjungen!«, rief ihr Mann bissig hinterher.
    »Wir haben ein Fläschchen Aspirin , Herr Korff«, entgegnete die Frau.
    »Womöglich hilft es ihm, Lisbeth. Willst du das etwa?«
    »Halt du dein Maul!«
    »Wie lieb sie zu mir ist. Jeden Morgen dankt sie ihrem Führer, dass sie mich noch hat.«
    Waltraut musste lachen.
    Die Wirtin steckte den Kopf durch die Tür. »Sie können
mir glauben, junge Frau, ich mache noch einen guten Nazi aus ihm, und wenn ich mich anstrenge, aus beiden. Die Bewegung * ist nicht so schlecht, wie ihr sie dauernd macht. Wir haben schon sehr, sehr viel erreicht, und mit ein bisschen gutem Willen wird es immer besser. Es müssen eben alle mitmachen und dasselbe wollen, dann kommt was Gutes dabei raus.« Sie suchte Waltrauts Blick. »Die ganzen Stänkerhänse machen uns das Leben schwer. Und warum ich vorhin so garstig zu Ihnen war, Fräulein Knesebeck, das war, weil ich dachte, dass Sie auch so eine sind und vielleicht deshalb rausgeflogen wären, verstehen Sie?«
    Waltraut nickte zaghaft.
    »Sind Sie Volksgenossin?«
    »Nein.«
    »Dann hoffe ich für Sie, dass Sie es werden. Es ist vernünftig, es ist die Zukunft.« Die Frau ging noch einmal ins Nebenzimmer.
    »Ich gehe auf mein Zimmer«, sagte Waltraut und stand vom Tisch auf. »Danke für das Frühstück. Nachher bezahle ich die Mark.«
    »Sie müssen gar nichts zahlen«, rief die Wirtin aus dem Nebenraum. »Wenn Sie mir versprechen, möglichst bald eine ordentliche Volksgenossin zu werden. Haben Sie gehört? Dort liegt auch eine Zeitung, mit Bildern aus Berlin, die Olympischen Spiele. Wenn Sie möchten, können Sie sie mit aufs Zimmer nehmen …«
    »Danke«, sagte Waltraut, nahm die Zeitung und lächelte den Männern zu. Sie flüchtete ein bisschen hastig, wie sie fand.
    In ihrer Kammer setzte sie sich auf das Bett und blätterte. Schon auf der zweiten Seite entdeckte sie das Pressebild: der
Führer und ein blondes Mädel, das schräg vor ihm stand, das Gesicht leider von einer fremden Schulter abgedeckt. Aber es war Reni. Waltraut erkannte sie sofort, so wie man einen lieben Freund erkennt, an Nebensächlichkeiten, am Schwung des Wangenknochens, an einem Teil der Schläfe.
    Es war ein seltsames Gefühl für sie, jemanden in der Zeitung zu sehen, den sie persönlich kannte. Zu schade, dass die Leser Reni nicht von vorne sahen; so wie sie aussah, wäre sie vielleicht berühmt geworden. Jedenfalls freute sich Waltraut, dass sie es geschafft hatte: die unglaubliche Begegnung mit dem Idol der Mädchen in Haus Ulmengrund – zahlloser deutscher Mädel in dem Alter! Sie hatte es geschafft und war sicher stolz auf die Erfahrung.
    Waltraut horchte auf Geräusche aus der Küche nebenan. Wortfetzen, Silben, Stuhlbeinrutschen auf den Dielen, helles Lachen, als hätte sich die Wirtin in eine Frohnatur verwandelt. Waltraut war so überrascht, dass sie unwillkürlich den Beginn dieser Verwandlung suchte, womöglich ihren Anlass. Vielleicht war es das Eintreffen Brot-Korffs? Aber das machte keinen Sinn, die Wirtin lehnte doch alles an ihm ab. Oder sie tat nur so, bis er erschien? Jetzt war er nämlich da und sie war wie verzaubert.
    Darum die roten Lippen!, überlegte Waltraut und sagte leise lachend: »Sie ist verliebt, sie ist verliebt in ihn, die Arme. Das ist ihr glühendes Geheimnis!«

Die Wegwartenfeier
    I m Saal war es voll und Reni

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