Blumen für den Führer
sehen?«, rief Karin.
»Dass sie schon anders ist und anders redet.«
»Janka!«, bettelte Reni. »Ich kann doch nichts dafür, dass er mein Vater ist und mir Dinge sagen muss, die wichtig sind.«
Sie fühlte sich mit einem Mal ein bisschen unwohl. Aber sie wollte sich die Freude nicht verderben lassen vor dem Umzug. Ihre Sachen lagen schon bereit für morgen. Noch so ein großer Tag in ihrem Leben!
»Ich rede ganz bestimmt mit Frau Misera, ich verspreche es. Und auch mit meinem Vater.« Das Letzte war geschwindelt, aber das Lügen war so federleicht. Sie lachte leise.
Hilde war verwundert. »Warum lachst du?«
Reni holte Luft. »Weil ich mir gerade vorgenommen habe, nie mehr in meinem Leben zu weinen.« Sie wollte nie mehr weinen, weil es dem Vater nicht gefallen würde. Ihm zuliebe.
Dann sagte sie: »Wir schlafen jetzt!« Sie sagte es mit einem neuen Tonfall. Bestimmend und für den Schlafsaal viel zu laut. Als Komtesse Renate im vornehmen Salon der Gräfin, nicht als Reni Anstorm.
»Was träumst du diese Nacht?«, fragte Friederike. »Bestimmt von einem wunderschönen Saal und wie du mit dem Führer tanzt. Dein Vater und die Gräfin sind sehr stolz auf dich.«
Reni fühlte sich geschmeichelt. Sie sah vor Augen, was Friedel sich eben ausgemalt hatte.
»Du bist ein Glückskind, Reni«, sagte Hilde.
»O nein.« Janka widersprach. »Ein Glückskind hätte nie so lange warten müssen, um einen richtigen Vater zu haben.«
Reni blies sich Luft unter die Nase. »Danke, Janka, dass du mir die Freude kaputt machst.« Sie stemmte sich im Bett hoch und stand auf.
Hilde flüsterte: »Wo willst du hin, Reni?«
»Ich bin traurig, dass ihr mir den Abschied verderben wollt.«
»Aber es war Janka«, sagte Karin. »Du weißt doch, dass sie eine Stänkerziege ist.«
Aber Reni hatte plötzlich Lust zu streiten. »Sie sagt nur, was ihr alle denkt.«
»Wir lügen uns nie an«, erwiderte Hilde. »Das haben wir uns geschworen.«
Reni hatte den Impuls hinauszulaufen, aber es zu tun, war unerträglich. Sie war froh, dass es dunkel war und niemand sah, dass sie feuerrot wurde. Die Hitze brannte auf den Wangen. Sie fühlte sich mit einem Mal verloren und allein gelassen. So sehr fehlte ihr in diesem Augenblick der Vater, der ihr gewiss Mut zugesprochen hätte. Immer tapfer bleiben, schließlich gibt es hohe Ziele!
»Wisst ihr«, erklärte sie, »mein Vater hat mir erzählt, dass es für das deutsche Volk und für das Reich nur den dornenreichen Weg gibt. Das bedeutet, dass wir alle bereit sein müssen, wenn es zu Veränderungen in unserem Leben kommt.«
»Bereit zu was?«, fragte Janka.
»Zu verstehen.«
»Aber was?«
»Dass es Opfer geben muss, es ist nun einmal so, damit müssen wir uns abfinden. Versteht ihr das?«
»Natürlich«, sagte Friedel.
»Nein.« Janka wollte nicht verstehen.
»Du bist so doof!«, versetzte Hilde.
Reni fühlte sich ein bisschen besser. Sie musste sich daran gewöhnen, nicht von allen Menschen verstanden zu werden. So wie der Vater. Die Rolle der Komtesse war schwierig, aber bestimmt auch oft wunderschön.
»Wenn man im Mittelpunkt steht, ist das auch mühevoll«, sagte sie weiter und achtete darauf, dass ihre Stimme sicher klang. »Ihr dürft mich nicht zu sehr beneiden.«
»Du spinnst ja völlig, Reni!«, schimpfte Janka plötzlich los. »Bilde dir doch nicht ein, dass wir diese Märchen glauben. Du bist überhaupt nichts Besonderes und du stehst auch nicht im Mittelpunkt. Das bildest du dir vielleicht ein!«
»Hör mal, Janka«, sagte Friedel. »Ich glaube, es wäre viel besser, wenn statt Reni du rausgehst. Ich werde nämlich gleich wütend.«
Janka stand von ihrem Bett auf, nahm ihr Kissen und die Decke und ging damit zur Tür. »Ich mag euch nicht mehr, wisst ihr das? Ihr seid gemein und blöd … hundsgemein und blöd!« Als sie hinausging, rief sie: »Reni, weißt du was? Du bist schön, aber du hast kein Herz!«
Ein paar andere Mädel wachten auf und maulten.
»Lass sie doch gehen und leg dich wieder hin«, flüsterte Friedel. »Wir müssen schlafen. Janka ist ein Kind, Reni, das weißt du doch. Morgen früh weiß sie gar nicht mehr, was sie für dummes Zeug erzählt hat.«
»Na ja. Wie immer«, sagte Hilde.
Reni kletterte ins Bett zurück und stieß ihr Kissen zurecht. Sie starrte im Dunkeln zur Decke. Es wurde still. Sie hörte Atmen um sich her, leise Geräusche im Nebenzimmer. Dort hatte Janka hoffentlich ein anderes Bett gefunden, obwohl es streng verboten war, zu
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