Blumen für den Führer
Sie klatschte kräftig los und alle stimmten wieder ein.
Der Beifall war ein warmes Bad, das Reni glücklich machte. Sie dankte laut und weinte ein wenig. Der Vater nahm sie etwas spröde in den Arm. Er nickte Frau Misera zu, bedankte sich bei allen auch von seiner Seite. Reni war ganz taub vor Glück, sie wischte sich die Wangen trocken.
Hauptsturmführer Fernau trat nach vorne und sagte etwas Freundliches. Der Führer sei mit seinem Geist in jeder jungen Seele, die erzogen werden müsse. Fleiß, Treue, Ehrlichkeit und Anstand würden mit ihm darin Einzug halten. Herr Kiank unterbrach ihn, weil er plötzlich furchtbar husten musste. Unruhe kam auf. Die Leiterin erhob die Hände und gemahnte an die weiteren Tagespflichten. Sie wies zum Haus. Man stand noch einen Augenblick in kleinen Gruppen. Reni war dicht umringt. Die Jüngeren der Mädel drängten sich nach vorn und streckten ihre Hände nach ihr aus.
Hochverehrter Doktor Schweitzer
D ie Mädel saßen in den Betten, es war beinah wie immer. Reni erzählte wieder leise. Aus den anderen Betten hörte man das leise Schnaufen derer, die schon schliefen.
»Es ist ein Brief an den Oganga«, sagte sie. »Ich habe ihm
wichtige Mitteilungen zu machen, weil ich in Berlin einen gewissen Einfluss erlangt habe. Auf solche Leute ist man in Afrika natürlich angewiesen, das könnt ihr euch doch denken.«
»Aber ja«, antwortete Karin. »Lies uns den Brief jetzt bitte vor.«
Reni fühlte sich eigentlich wie sonst, wenn sie mit ihren Freundinnen zusammen war. Und doch war etwas anders, nur ein wenig, und es war schwer zu sagen, was genau.
»Hochverehrter Doktor Schweitzer«, sagte sie leise. »Ich hatte die Ehre, unserem Führer vor den Augen der Weltöffentlichkeit bei der Eröffnung der sechsunddreißigsten Olympischen Sommerspiele in Berlin einen Blumenstrauß zu überreichen. Der Führer unterhielt sich mit mir, wobei ich nicht vergessen habe, ihn an das Wellblech zu erinnern, damit der Regen nicht länger seine Spuren hinterlässt …«
»Welche Spuren?«, flüsterte Janka.
»Das hat Reni doch erzählt, du Dummchen«, maulte Karin leise. »Es regnet in die Hütten und die Medizin verdirbt.«
»Lass Reni weitererzählen«, forderte Friederike.
Reni wartete, bis alle still waren.
»Der Führer hat mir mitgeteilt, dass er alles daransetzen wird, in der Nähe von Lambarene eine Deutsche Botschaft einzurichten. Von dort aus könne man die erforderliche Hilfe besser in die Wege leiten als bislang. Unser Führer hat sich nämlich zum Ziel gesetzt, eine Welt zu schaffen, in der alle Menschen friedlich miteinander leben werden, sogar wenn sie fremden Religionen, Rassen und Nationen angehören. Und nun, lieber Doktor Schweitzer, hat er Ihr wunderbares Urwaldspital am Ogowe-Fluss im Auge, um der Weltöffentlichkeit zu zeigen, dass selbst Weiße und Neger einander unterstützen und Frieden halten können.«
»Hast du diesen Brief schon deinem Vater vorgelesen?«, fragte Hilde.
»Morgen, wenn ich umgezogen bin. Wir fahren um halb elf weg.«
»Nein«, rief Janka. »Ich will nicht, dass Reni Ulmengrund verlässt!«
»Ach, und was bitte soll sie tun?« Friedel lachte gespielt. »Sie soll wohl darauf verzichten, eine Komtesse zu werden, bloß damit du sie hier bei dir hast.«
»Ja, genau.«
Alle lachten.
»Nein, natürlich nicht«, lenkte Janka ein. »Ich bin nur traurig, dass wir sie verlieren.«
»Wir verlieren sie doch nicht«, empörte sich Karin. »Sie besucht uns regelmäßig. Freilich nicht als Reni Anstorm. Frau Misera hat gesagt, dass Ulmengrund von diesem Kontakt ungemein profitieren wird.«
»Ungemein profitieren wird«, äffte Janka nach. »So redet Reni dann dauernd. Igitt.«
»Wie bitte?«, rief Friederike.
»Na eben wie so eine vornehme Dame, die mit unsereins nicht spricht und beim Teetrinken den kleinen Finger abspreizt.« Janka machte es im Halbdunkel des Schlafsaals vor.
»So also siehst du mich?«, fragte Reni lachend. »Mein Vater wird mich gut erziehen, jedenfalls gut genug, dass ich solche geschmacklosen Fehler bestimmt nicht machen werde. Man spreizt den kleinen Finger nicht ab. Wenn ich euch besuche, Janka, bringe ich dir jedes Mal etwas Schönes mit. Wie wäre das?«
»Au ja. Und was?«
»Das weiß sie doch noch nicht«, zischelte Hilde. »Aber sie
hat dort ein eigenes großes Zimmer voller schöner Dinge, die nur ihr gehören. Stimmt doch, Reni, oder?«
Reni nickte in die Dunkelheit. »Damit meine Briefe an den Oganga und den Führer
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