Blumen für den Führer
ist schön. Ich nehme an, Sie möchten Renate besuchen? Dabei ist sie gerade erst eingezogen. Trotzdem, warum nicht?« Er nahm die Brille und die Kappe ab und reichte beides Fräulein Dohm, die sofort damit verschwand und gleich darauf mit einem weißen Tuch erschien. Der Graf nahm es und dankte ihr. Er wischte sich die Stirn, die Wangen und das Kinn und schnaufte dabei leise.
Waltraut musste etwas sagen, ihn um die Unterredung bitten. Und zwar jetzt, sonst würde die Vermutung, dass sie um Renis willen hergekommen sei, gewissermaßen eine Wahrheit werden.
Sie holte Luft.
Bevor sie Worte fand, sagte der Graf: »Oder möchten Sie mit mir sprechen, Fräulein Knesebeck?«
Waltraut nickte und hoffte, dass sie nicht etwa rot wurde. Alle Vorsätze und Überlegungen lagen plötzlich weit entfernt. Der Mann war stark und freundlich, überzeugend, so wie er
vor ihr stand und lachte. Sie würde nichts erwidern können, wenn er redete und seine Sicht darstellte. Korff war keine Hilfe, weil er nicht hinzugebeten würde.
»Fräulein Dohm, jetzt wo wir einen Gast haben, glauben Sie, dass sich das Mittagessen ein bisschen strecken ließe?«
»Aber ja, Herr Graf.«
»Was gibt es denn?«
»Geflügel in Weißwein.«
»Wenn das der Führer wüsste, oder? Ein französisches Rezept.« Er lachte Reni zu und fragte, ob Waltraut einverstanden sei, wenn sie über Mittag bliebe.
Reni jubelte. »Wir decken zusammen den Tisch und dann zeige ich Ihnen mein Zimmer.«
»Sie ist sehr stolz darauf«, sagte der Vater. »Wenn Sie fertig sind, ich bin in meinem Arbeitszimmer. Sie kennen ja den Weg dorthin.«
Waltraut hätte fast eine Art Knicks gemacht. Reni zog sie fort, zum Schrank mit dem Geschirr. »Erst die Tischdecke, die Servietten und Messerbänkchen. Dann Gläser, Teller, Schüsseln!«
Der Graf nickte ihr anerkennend zu und blickte Waltraut an. Sie fühlte sich geschwächt, der Schwung des Morgens war verpufft.
Reni reichte ihr die schwere Leinentischdecke, sie war riesig und wunderschön mit eingestickten Blüten und zart gewebten parallelen Linien.
Schöne Ordnung
R eni öffnete die Tür, strahlte und ließ Fräulein Knesebeck auf ihre Ordnung schauen. Sie hatte auf dem Schreibtisch ihres Zimmers alle Stifte, das Lineal, den neuen Füllfederhalter sorgfältig nebeneinandergelegt. Es machte Freude, diese Klarheit wiederherzustellen, sobald man etwas in die Hand genommen hatte.
Das Briefpapier mit dem Wappen lag aufgestoßen im Karton, und der Karton stand an der oberen rechten Tischkante, nicht ungefähr, sondern genau. Das Tintenfässchen und der Wechselkalender aus schwarzem Marmor bildeten eine Linie. Die feste, lederne Schreibunterlage schloss vorne mit der Kante ab. So will es die Natur in mir, dachte sie oft. Ich bin ja immer gerne ordentlich gewesen.
In Renis Vorstellung war die Klarheit auf dem Schreibtisch das Abbild einer höheren Ordnung. Es ging nicht um die Stifte, nicht ums Lineal, sondern um die Harmonie der Seele mit der Welt. Es ging um Gott und die Natur, auf die Doktor Schweitzer sich berief. Die kleine Ordnung auf dem Tisch war also göttlich und natürlich.
Die Erzieherin trat ein und sagte: »Reni, das ist einfach wunderbar.«
»Bei Doktor Schweitzer habe ich gelesen, dass Ordnung nicht bloß Ordnung ist, so wie Liebe nicht nur Liebe ist. Die Dinge, für die wir uns entscheiden, formen unsere Welt. Wir sind mit unseren Entscheidungen dafür verantwortlich, ob die Welt gut ist oder schlecht wird für die Menschen.«
»Albert Schweitzer: Aus meinem Leben und Denken «, las
Fräulein Knesebeck laut. Das Buch lag auf dem Schreibtisch neben dem Papier. In einer Linie ausgerichtet.
»Der Führer hat mir erklärt, dass es beim Werden eines Volkes nie um die vielen Einzelwesen geht, sondern um die Rolle des Genies, des Helden. Ist das nicht wunderschön? Doktor Schweitzer spielt die Rolle, die das Schicksal vorgesehen hat … Hätte er nicht diese große Aufgabe übernommen, dann hätte es ein anderer getan. Getan sein aber soll es. Der Körper eines Volkes findet immer einen Einzelmenschen, der begabt ist und dem das Werk gelingt.«
Fräulein Knesebeck sah sich alles in dem Zimmer an. Der Gedanke, dass das Volk ein eigenes Wesen sei und etwas »finden« könne, war bestechend und gespensterhaft zugleich.
»Als Kind hab ich davon geträumt, ein eigenes Zimmerchen zu haben. Nicht so ein großes«, sagte sie, und Reni lachte. In ihrer Fantasie hatte sie eine eigene Hütte im Urwaldspital. Die Negerbuben
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