Blumen für den Führer
denn gewesen, Fräulein Knesebeck? Wir sind so traurig, dass Sie nicht mehr kommen werden.«
»Hat Frau Misera das gesagt?«
»Friedel meinte, dass es wegen Monika ist. Was ist mit ihr?«
»Das darf ich dir nicht sagen, Kind. Sei mir nicht böse.« Waltraut hielt sie fest und Reni wollte auch nicht losgelassen werden. Sie schlang die Arme um Waltrauts Taille, presste eine Wange an die Brust und strahlte. Erst dann schien sie den zweiten Gast und das Motorrad wahrzunehmen.
»Guten Tag, Herr Korff. Sie haben Fräulein Knesebeck bestimmt gefahren. Das ist furchtbar nett. Es ist so wunderschön hier auf dem Gut, die Tiere, die wir haben, alles. Wir haben Ponys, Zucht- und Arbeitspferde, Schafe, sogar Lämmchen, die sind so süß!«
»Renate! …«
Alle wandten sich dem Wohnhaus zu.
Die Hausdame war aus der Eingangstür getreten, und hinter ihr im halben Schatten stand der Fahrer, er blickte prüfend her.
Die Hausdame kam mit kleinen, tastenden Schritten über den Hof.
»Das ist Fräulein Dohm«, sagte Reni.
Waltraut spürte, dass sie wirklich glücklich war. Das Mädel fühlte sich zu Hause.
»Fräulein Knesebeck besucht mich«, sagte Reni zu Fräulein Dohm. »Sie ist die Erzieherin, die ich am liebsten habe. Wir alle mögen sie am liebsten!«
»Das ist sehr schön«, sagte Fräulein Dohm und blieb stehen. Der Abstand war zu groß, um ihr die Hand zu geben. »Renate hat Sie sehr gelobt. Ich darf Sie im Namen von Graf Haardt auf seinem Gut begrüßen. Wir freuen uns.« Sie lächelte und grüßte auch Herrn Korff über die Distanz.
Dann sagte sie: »Es tut mir leid, dass der Herr Graf außer Haus ist. Aber selbstverständlich sind Sie eingeladen. Darf ich Sie ins Haus bitten? Ihr Fahrer kann derweil in der Küche etwas essen, wenn er mag.« Sie drehte sich um und ging zum Haus zurück. Vor der Eingangstreppe blieb sie stehen und wartete, um Waltraut vorzulassen. Reni hüpfte hinterher.
Drinnen trat Waltraut sich die Schuhe ab und machte ein paar Schritte auf dem weichen Teppich, der in der Eingangshalle lag. Sie hörte kein Geräusch. Reni sprühte geradezu vor Glück, Waltraut konnte ihren Stolz mitfühlen. Für einen Augenblick vergaß sie sogar Korff, der in der Küche beim Gesinde sitzen musste.
»Es ist hier wunder-, wunderschön, Reni«, sagte sie und wandte sich ihr zu. »Dein neues Zuhause.«
»Ich habe ein eigenes Zimmer. Es ist größer als unser Schlafsaal in Haus Ulmengrund. Darf ich es Ihnen zeigen, es liegt oben.« Sie wollte losrennen.
»Renate, deine Erzieherin ist hergekommen, weil sie mit deinem Vater sprechen möchte.« Fräulein Dohm faltete die Hände. Ihre Lippen wirkten mehlig.
»Natürlich möchte ich auch dich besuchen, Reni«, sagte Waltraut schnell.
»Aber mein Vater ist nicht da, wir hätten etwas Zeit und
könnten …« Sie stockte, weil Fräulein Dohm ihr einen Blick zuwarf. Waltraut kannte solche Mittel. Sie selber sagte lieber ehrlich, was zu sagen war, und die Erfahrung hatte ihr gezeigt, dass es für alle Kinder besser ist zu reden, statt mit Blicken zu erziehen.
Reni verzog den Mund.
Waltraut nickte ermutigend. »Ich bin sicher, dass wir nachher noch die Zeit finden werden, um hinaufzugehen. Nicht wahr, Fräulein Dohm?«
Die Hausdame sagte Ja, aber sie log so ungeschickt, dass Reni hinter ihrem Rücken mit den Augen rollte.
»Möchten Sie vielleicht Tee? Reni, zeig unserem Gast doch bitte den Salon.« Fräulein Dohm entfaltete die bleichen Hände.
Reni führte Waltraut tiefer in das Haus.
»Du bist erst gestern hergekommen, stimmt’s?«
»Ja, und ich wünsche mir, dass mein erster Eindruck bleibt«, antwortete Reni. »Aber ich weiß natürlich, dass sich alles ändern kann, ich bin kein Kind mehr. Ich möchte, dass der Vater mich weiter so mag, wie er es jetzt tut. Dafür will ich alles tun, verstehen Sie?«
»Und wie sehr ich es dir wünsche, Reni.«
»Ich will ihn fragen, ob er nicht dafür sorgen kann, dass Sie bei uns bleiben, also in Haus Ulmengrund. Das muss er tun. In seinem Herzen ist er gut, Fräulein Knesebeck. Ich weiß, dass er falsch über Sie denkt und über diesen Jungen, Jockel, der von zu Hause weggelaufen ist. Wenn mein Vater merkt, dass er sich irrt, wird er seine Ansicht ändern, ganz bestimmt. Man soll Menschen nicht verurteilen, bevor nicht geklärt ist, dass sie wirklich schuldig sind, nicht wahr?«
Inzwischen hatten sie den Salon betreten.
Reni drehte sich herum und präsentierte ihn mit Stolz.
»Ich weiß, wo dieser Junge ist«,
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