Blumen fuer die Toten - Ein Fall fuer Commissario Mariani
hast, dann kann ich damit arbeiten. Oder hast du Angst, dass ich irgendwelche vertraulichen Dinge ausplaudere?«
»Nein.« Und das stimmt wirklich.
»Also dann geht es nur ums Prinzip. Wie blöd können Männer bloß sein!« Wie ich vorhergesehen habe, nimmt sie das Randstück in die Hand und fuchtelt einen Moment lang damit herum, als wäre es eine Waffe. »Ich werde dich nicht stören und mich nicht in deine Ermittlungen einmischen. Du benutzt deine Instrumente und ich meine.«
Ich deute auf die Speisekarte: »Profiteroles? Die sind ziemlich gut.«
Francesca vertilgt das letzte Stückchen Teigrand und nickt.
Ich warte, bis das Dessert kommt, und dann berichte ich ihr alles in chronologischer Reihenfolge, auch das, was sie bereits weiß. »Jetzt habe ich dir alles erzählt. Als du in mein Büro gekommen bist, habe ich gerade versucht, das Ganze zu verstehen.«
Während ich noch rede, holt sie aus ihrer Tasche schon Papier und Stift - so einen mit feiner Spitze, der schnell über das Papier läuft (Francesca hat mir einmal erklärt, dass diese für sie die besten sind), und teilt das Papier in zwei Spalten: »Daten vergleichen, das ist genau das, was ich gut kann. Ich nehme einen Espresso.«
Ich mache dem Kellner ein Zeichen, indem ich zwei Finger hebe, und er nickt. Dann hole ich eine Zigarettenschachtel aus der Jackentasche und lege sie auf den Tisch. Francesca streckt die Hand aus, nimmt sich eine, ich beuge mich vor, um ihr Feuer zu geben, während sie über die erste Spalte Fall 1 und über die zweite Fall 2 schreibt.
Sie zieht an der Zigarette und sieht mich an.
Ich warte. Plötzlich hat sie wundersamerweise auch noch einen zweiten, diesmal roten Stift in der Hand.
»In Schwarz die Entsprechungen und in Rot die Unterschiede.« Sie sieht mich an. »Verstehst du, was wir hier tun?«
Der Plural gefällt mir, sie hat ihn schon lange nicht mehr benutzt. Denn seit langem gibt es das »Wir« nur als Manus Eltern. Ich habe Mühe, mich zu konzentrieren.
»Natürlich sind es wenige Daten. Um die Konstanten und die Beziehungen zwischen den Variablen einer Reihe von Phänomenen herauszuarbeiten, ist ein isoliertes Ereignis wenig aussagekräftig.« Pause. »Ich denke, dass wir hier einen Ansatz haben. Um die Struktur zu erkennen, sind die beiden Spalten mit Analogien und Differenzen in Ordnung, doch ich würde auch noch horizontale Unterteilungen machen. Denn wir analysieren ein zusammengesetztes Ereignis, eine Art Modul, das aus drei Elementarereignissen besteht: Montag, Mittwoch und Freitag. Normalerweise analysiert man das zusammengesetzte Ereignis in seiner Gesamtheit und setzt die Elementarereignisse zueinander in Beziehung. Nun, es ist nicht so einfach, das zu erklären. Jedenfalls haben wir nur wenige Daten, mit denen wir arbeiten können.«
»Das hoffe ich. Das heißt, ich hoffe, dass es nicht noch mehr werden.«
Sie schaut mich einen Augenblick lang verblüfft an, dann bricht sie in Lachen aus. »Du hast Recht, ich habe ganz vergessen, dass wir über Morde sprechen. Ich bin wieder einmal der intellektuellen Herausforderung erlegen.« Sie drückt die nur halb aufgerauchte Zigarette aus. »Ich hoffe, dass ich es nicht wieder vergesse.« Dann steht sie auf. »Ich muss jetzt gehen.«
Ich zahle, und wir verlassen das Lokal.
»Was würdest du jetzt tun?«
»Du hast mir gesagt, dass es sich um den rechten Zeigefinger handelt …« Ich nicke. »Für ihn - ich nehme hier nur der Einfachheit halber die männliche Form - muss es eine Bedeutung haben. Zeigefinger. Der Finger, mit dem man auf etwas zeigt.«
»Der Finger, der den Abzug drückt.«
»Genauso ist es mit der Blüte. Sie stammt von einer Pflanze, die zu dieser Jahreszeit blüht, die es aber nicht so häufig gibt.«
»Bei einem solchen Mörder weiß man nie, welche Bedeutung bestimmte Handlungen haben.« Ich lege ihr eine Hand auf den Arm, und wir überqueren zusammen die Straße. »Er weiß das jedenfalls ganz genau.«
»Er benutzt eine Symbolsprache, die an ganz persönliche - bewusste oder verdrängte - Erfahrungen anknüpft. Wie ein Dichter, ein Maler oder ein Musiker.«
»Was wohl Dante und Mozart dazu gesagt hätten!«
»Die habe ich noch nie für Moralapostel gehalten, ganz im Gegenteil!« Wir stehen nun vor die Questura. »Ich gehe jetzt«, sagt sie und streift rasch mit ihren Lippen meine Wange in Andeutung eines ehelichen Kusses.
Als ich hineingehe, erhasche ich den Blick eines Kollegen: Ja, Francesca ist verwirrend und passt in kein
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