Blumen fuer die Toten - Ein Fall fuer Commissario Mariani
Straße. Und das Päckchen für dich, das an deine Mutter ging. Der Titel des Buches ist Eine Privatsache . Erinnerst du dich?« Ihre Stimme klingt sicher, wie wenn sie von der Arbeit spricht, verflucht kompetent und überzeugend.
»Ich bin ja nicht blöd, jedes Mal, wenn ich die Akte aufschlage, habe ich es vor Augen.«
»Nicht an den Titel, an die Geschichte.« Sie wartet meine Antwort nicht ab, sondern fährt fort: »Ich hatte sie noch ganz gut im Kopf, aber ich habe das Buch trotzdem noch einmal gelesen. Der Partisan Milton versuchte, einen Faschisten zu fangen, um ihn gegen seinen Freund Giorgio auszutauschen. Er muss Giorgio befreien, um herauszubekommen, ob dieser eine Affäre mit seiner, Miltons, Freundin Fulvia gehabt hat. Eine Privatsache eben. Und ein Tausch. Es ist eine Privatsache zwischen dir und dem Mörder. Und vielleicht hat auch ein Tausch damit zu tun.«
»Dann genügt es, nach einem Fenoglio-Leser zu suchen, ihn zu finden, und alles ist gut.«
»Keine Scherze, Anto, ich habe Angst.« Sie legt mir eine Hand auf den Arm. »Er versteht auch was von Farben. Nicht alle wissen, dass Primärrot Magenta heißt.«
»Ja natürlich, es ist wie mit den Gianduiotti aus Turin.« 68
Ich muss ihr noch das Schlimmste berichten und versuche, es herauszuzögern, indem ich sie zum Lachen bringe. »Er muss eine rechte Naschkatze sein.« Sie sieht mich an und wartet. »Auf einer Ablage im Flur lag eine Pralinenschachtel von Romanengo. Ich habe noch mit der Tochter gesprochen, deswegen ist es auch so spät geworden. Sie hat gesagt, dass ihre Mutter Diabetikerin war und dass sie nie etwas Süßes im Haus hatte, um nicht in Versuchung zu geraten.«
»Vielleicht hat sie die Pralinen als Geschenk gekauft.«
»Ihre Tochter meint, sie hätte nie Pralinen verschenkt. Doch wir werden auf alle Fälle mit einem Foto der Lotti zu Romanengo gehen.«
»Waren auch die Pralinen, die er für dich an deine Mutter geschickt hat, von Romanengo?«
Ich nicke. Die Angst, die jetzt in ihr hochkriecht, hat mich schon vor Stunden gepackt, auch wenn ich versuche, sie zu verdrängen.
»Warum, Anto? Warum?«
»Ich weiß es nicht. Und ich bin müde. Ich schlafe schon seit Tagen schlecht.«
»Ich weiß, du hast wieder Albträume, nicht wahr?« Sie wartet mein überflüssiges Ja nicht ab, sondern wechselt das Thema. »Du hast von der Tochter erzählt …«
»Sie arbeitet bei der Stadt, scheint ein ruhiger Mensch zu sein. Verheiratet, ein Sohn. Jetzt ist sie ganz durcheinander.«
Francesca steht auf. »Willst du noch einen Kaffee?«
»Ich habe zwar schon viel zu viel Kaffee getrunken, aber trotzdem: Ja.«
Schweigen, nur die vertrauten Geräusche: Wasser, Öffnen und Schließen der Dose mit dem Espresso, Zuschrauben der Espressomaschine, Gasanzünder. Dann Francescas Stimme. »Er hat geklingelt, damit sie aufmacht, hat gesagt, dass er ein Päckchen von Romanengo abliefern soll. ›Das muss ein Irrtum sein‹. ›Keine Ahnung, ich weiß nur, dass ich das hier abliefern soll.‹ Sie hat aufgemacht …«, Francesca dreht sich zu mir um und sieht mich an. »Wie ist die … wie war die Tote?«
»Zierlich, sie wirkte zerbrechlich.«
»Es war sicher nicht schwer, ihr die Plastiktüte über den Kopf zu ziehen. Bei ihr brauchte er keine Spritze wie bei der anderen.«
»Bei der Gualtieri?«
»Ja. Der Mörder ist ein flexibler Mensch.« Sie schaut nach, ob der Kaffee auch richtig durchläuft, manchmal vergisst sie das Wasser oder dreht nicht fest genug zu. »Er hat ein Schema, doch er kann es den verschiedenen Umständen anpassen. Ich habe es dir ja auch schon vorgestern gesagt.«
»Was denn?«
»Du musst dir deinen Mörder oder deine Mörderin wie einen Künstler vorstellen, der sein Schema flexibel gestaltet.« Sie dreht die Gasflamme aus und gießt den Kaffee in zwei Tassen. Eine davon stellt sie vor mich hin. »Und wohin führt uns das?«
»Mehr zu wissen über den Gegner hilft normalerweise, ihn Gestalt annehmen zu lassen.«
Sie setzt sich mir gegenüber und dreht die Tasse in den Händen. »Und doch sieht es so aus, als würde alles, was wir wissen, alles, was du weißt, dir vom Gegner eingeflüstert. Du müsstest nach Informationen suchen, die er dir gegeben hat, ohne es zu wollen.« Sie trinkt einen Schluck. »Ich glaube, dass ihr auch dieses Mal keine Fingerabdrücke oder irgendwelche anderen Hinweise finden werdet. Keine klassischen Indizien jedenfalls.«
»Das glaube ich auch. Doch wir sind noch bei der Arbeit. Wir haben die
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