Blumen fuer die Toten - Ein Fall fuer Commissario Mariani
Nachbarn befragt, allen tut es leid, was passiert ist. So eine nette und freundliche Frau, meinten sie, hat sich immer hilfsbereit und gefällig gezeigt. Auf sie konnte man zählen. Aber nein, niemand hat etwas Außergewöhnliches gesehen oder bemerkt.«
Francesca drückt sich den Handrücken gegen die Augen, das macht sie immer, wenn sie zu lange vor dem Computer gesessen hat oder wenn sie nicht weinen will. »Was haben sie gesagt? Hilfsbereit und gefällig? Dann ist klar, wie es gelaufen ist. Der Mörder hat geklingelt. Ich soll das hier, und zeigt auf das Päckchen, für …, und er nennt den Namen einer Nachbarin, abliefern. Aber es ist niemand da. Und sie, die Signora Lotti, die nie einen Gefallen ausschlägt, nimmt das Päckchen und will schon die Tür schließen, da fragt der Mörder noch etwas, vielleicht ›könnte ich noch ein Glas Wasser haben?‹ und simuliert einen Hustenanfall. Die Lotti will ihm das Glas Wasser nicht verweigern und will ihm auch nicht die Tür vor der Nase zumachen, nein, denn für sie ist Höflichkeit nach alter Schule selbstverständlich. Sie lässt die Tür offen, der Mörder kommt herein, schließt leise die Tür hinter sich und tut das, weswegen er gekommen ist.«
»Gute Rekonstruktion. Und das Glas?«
»Hör zu, Antonio, ich tue, was ich kann, aber ich bin nun mal keine Polizistin. Jedenfalls ist unser Mörder ein außergewöhnlicher Mensch, ein Künstler in seinem Metier.«
»Also sollten wir einen Literaturkritiker heranziehen. Kennst du einen?«
Sie bricht in Lachen aus. Eine schöne Frau mit einem schönen Gesicht und einem schönen Körper. Und einem ganz schönen Dickkopf. Ich habe sie wegen ihres Lachens geheiratet, das so voller Leben ist. Eine Frau mit einem solchen Lachen liebt das Leben. Und ich sehe so viel Tod und so viel Nicht-Leben.
»Ich werde rumfragen, Anto.« Sie stellt die Tassen weg, die jetzt leer sind. Manchmal glaube ich, ich lebe nur noch von Kaffee. »Der Mörder will gefunden werden.«
»Das ist normal bei Serienkillern, sie wollen zeigen, wie intelligent sie sind, sie brauchen Publikum.«
»Dieser hier will von dir gefunden werden. Ob es nun ein Mann ist oder eine Frau. Sein oder ihr Leben ist mit deinem verbunden. Ein eifersüchtiger Ehemann? Ganz sicher hast du schon mal jemanden ins Abseits gedrängt.« Sie wartet meine Reaktion nicht ab. »Ehemann im weitesten Sinne, vielleicht auch ein Lebenspartner in einer festen Beziehung. Oder jemand, dem du eine Liebesgeschichte vermasselt hast. Es ist ja nicht so, dass du da untätig gewesen wärest. Auch als du schon verheiratet warst.«
»Es endet doch immer damit, dass du darauf herumhackst, dass ich dich betrüge, wie du es nennst.«
»Erstens ist es wirklich Betrug. Und zweitens … zweitens scheinst du als Bulle ja ehrlich zu sein.«
»Danke.«
»Mehr denn als Ehemann.« Sie gähnt. »Ich habe einen Wahnsinnstag hinter mir, ich gehe zu Bett.« Einen Augenblick lang hoffe ich, dass sie zu unserem Schlafzimmer geht, das seit langer Zeit meins allein ist. Hoffnung adé, sie geht ins Gästezimmer.
Mir bleibt ebenfalls nichts anderes übrig, als schlafen zu gehen und mich meinen Albträumen zu stellen, die nach Jahren der Ruhe nun wieder zuschlagen.
Ich bin erst ein paar Minuten im Bett, da nähern sich ihre Schritte. »Schläfst du?«, flüstert sie kaum hörbar.
Ein heller Schatten im Dunkel des Zimmers. »Nein, was ist denn?«, frage ich.
»Wenn du im Schlaf aufschreist, dann weckst du Manu, und sie bekommt Angst.«
»Ich werde versuchen, nicht zu schreien.«
»Ich schlafe hier, dann kann ich dich gleich wecken, wenn du schreist.« Sie gleitet neben mir ins Bett. »Aber nur deswegen.«
Kurz darauf, wir liegen mit züchtigem Abstand nebeneinander: »Anto?«
»Was denn?«
»Es ist eine Frau, Anto. Die Lotti hätte keinen Mann in ihre Wohnung gelassen. Eine Frau mittleren Alters, die fällt weniger auf.«
»Was verstehst du unter mittlerem Alter?«
»Vierzig, vielleicht fünfundvierzig, wenn sie sich gut gehalten hat. Oder auch fünfunddreißig, wenn sie nicht mehr so frisch ist. Nicht zu elegant oder zu modisch, aber doch sauber, ordentlich und untadelig gekleidet. Verstehst du?«
»Ja, Fran.«
Was würde Vicequestore Serra sagen, wenn ich ihm von dieser Unterhaltung erzählte?
Ich spüre, wie sie einschläft.
Ich werde wohl die Nacht damit verbringen, ihren Schlaf zu belauschen und mich zu fragen, warum ich mit Frauen, die mir viel weniger bedeuten und die ich viel weniger
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