Blumen fuer die Toten - Ein Fall fuer Commissario Mariani
Pralinen sind konzentrisch angeordnet, in der Mitte, wo die zwei oder drei innersten Kreise sein sollten, wartet die Überraschung.
Ein Handschuhfinger aus schmutzig weißem Spitzenstoff und ein kleiner Würfel, fest eingewickelt - wie in meiner Kindheit das Quittenbrot. Um das Silberpapier herum eine Banderole, ähnlich wie die von Zigarren, mit Marke, Gewicht und anderen geheimnisvollen Angaben, nur halb eingerissen. Die Draufsicht: 256, der Riss, Venezia, colori acquarello extrafini - extrafeine Aquarellfarben. Also eines dieser Farbnäpfchen, die man auch einzeln kaufen kann.
Auch hier Fotos und Beschreibung; dann wird das Silberpapier entfernt. Rot, ein nicht allzu dunkles, gedecktes Rot.
Die Perücke war ebenfalls rot, doch in einem anderen Ton, und auch der Gianduiotto war in Folie eingewickelt, in Goldfolie; diesmal ist es Silberfolie.
Und der Finger aus Spitzenstoff.
Abgeschnitten von einem Handschuh, wie ihn früher ältere Damen getragen haben.
Ein Finger aus Gummi und einer aus Spitze, auch hier Parallelen und Unterschiede.
Der Spitzenfinger ist so abgeschnitten, dass man sieht, um welchen es sich handelt. Man kann noch den Ansatz der Hand erkennen. Es ist der Zeigefinger.
Wie auch die abgetrennte Fingerkuppe, die ich mit der Post erhalten habe, zum Zeigefinger gehörte.
Ich bitte um größte Sorgfalt und gehe zurück in mein Büro. Anselmi ist wieder da, und das ist schon eine große Erleichterung.
»Guten Tag, Anselmi, wieder auf dem Damm?«
»Ja, nur noch etwas zerschlagen. Ich habe gehört, dass man noch ein Päckchen zu Ihnen nach Hause geschickt hat.« Gerade erst wiedergekommen, ist er schon über alles im Bilde. Vielleicht bin ich ja das Tagesgespräch der ganzen Questura.
»Nicht zu mir, zu meiner Mutter«, füge ich der Ordnung halber hinzu.
»Ja, das hat man mir gesagt. Dorthin, wo Sie früher gewohnt haben, vor Ihrer Hochzeit.«
Vor sieben Jahren. Ich sehe nur zwei Möglichkeiten: Entweder kennt mich der mordende Überbringer (ich bin überzeugt, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt) von früher (dann müsste ich ihn auch kennen), oder er hat sich die Mühe gemacht, mein ganzes Leben aufzurollen.
Ich weiß nicht, welche der beiden Möglichkeiten mich mehr aus der Fassung bringt. Und außerdem: Warum zieht er ausgerechnet mich mit hinein?
Ich schüttle mich. Anselmi sagt gerade: »Ich würde einige Nachforschungen anstellen. Womöglich ist irgendein Verrückter, den Sie vor ein paar Jahren erwischt und eingebuchtet haben, wieder freigekommen …«
Keine schlechte Idee, zumal der Verrückte, wie Anselmi ihn nennt, offenbar meine aktuelle Anschrift und sogar den Vor- und Zunamen des Nachbarsohns kennt. Es ist wirklich keine schlechte Idee, und ich bitte Anselmi, sich darum zu kümmern.
Wieder allein. Jetzt kann ich es nicht mehr hinauszögern. Ich wähle die Nummer meiner Mutter: Anrufbeantworter. Sie schaltet ihn an, wenn sie unter die Dusche geht (sie war aber schon angezogen, also kann sie nicht unter der Dusche sein), wenn sie auf dem Balkon ist und die Blumen gießt (das macht sie frühmorgens) oder wenn sie das Haus verlässt.
Ich weiß, dass sie neugierig ist. Wenn sie also weggegangen ist und nicht gewartet hat, bis es Neuigkeiten gibt, dann, weil sie Dienst bei der AVO hat, der Vereinigung ehrenamtlicher Krankenhaushelfer.
Ich lehne mich im Stuhl zurück und versuche, in Ruhe nachzudenken. Beim letzten Mal scheint die Vergesslichkeit Paolos den Rhythmus des Mörders gestört zu haben, ist dieses Mal also die gleiche Abfolge zu erwarten?
Montag: Ein Nachbar erhält das Päckchen für den Kommissar.
Mittwoch: Der Mord wird verübt, der Toten wird eine Fingerkuppe abgetrennt und eine Blume, möglicherweise eine Kamelie, in die Hand gesteckt.
Freitag: Dem Kommissar wird ein ausgehöhltes Buch nach Hause geschickt, in der Höhlung befinden sich eine Blume und die Fingerkuppe.
Eine Woche der Waffenruhe? Oder ist die Leiche noch nicht gefunden, und die Päckchen sind wegen diverser Versehen noch nicht beim auserkorenen Überbringer angekommen?
Montag: Die Mutter des Kommissars erhält ein Päckchen für ihren Sohn.
Wird es einen Mittwoch geben? Und einen Freitag?
Francesca meint, dass das Päckchen vom Montag eine Art Ankündigung dessen ist, was geschehen wird.
Francesca vermutet, dass der Gianduiotto auf Turin anspielt. Der Mord ist tatsächlich im Corso Torino geschehen.
Aber das Farbnäpfchen? Was soll uns das sagen?
Es klopft an der Tür. Das ist
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