Blumen fuer die Toten - Ein Fall fuer Commissario Mariani
warte ab.
»Und sie sagt zu mir, dass man nie sicher sein kann, ob man es wirklich geschafft hat. Es gibt die ›Guten‹ und die ›Bösen‹. Von den Guten zu den Bösen abrutschen ist einfach, aber umgekehrt, nein, das ist wirklich nicht leicht. Und sie erzählt mir, dass sie eine Freundin von früher getroffen hat, von ganz früher. Und dass diese Freundin rausgekommen ist aus dem Teufelskreis, geheiratet und ein Kind gekriegt hat … und dass sie dann eines Tages auf einmal alles verloren hat.« Er verstummt.
Ihn zur Eile antreiben ist sinnlos, vielleicht sogar kontraproduktiv.
»Sie sagt, dass sie diese Freundin ein paar Tage vorher in dem Lokal, wo sie arbeitet, getroffen hat. Und dass die ihr die Spritzen geben würde.« Er senkt den Blick. »Wissen Sie, mir ist das nicht mehr eingefallen, ich habe Angst gehabt. Angst vor Ihnen, Commissario. Da war alles ganz leer. Doch heute Morgen bei diesem ganzen Nebel, da hab ich gedacht, dass die Gina jetzt wohl Schmerzen hat, und dann, dass sie ja gar keine mehr haben kann, weil sie tot ist. Und dass sie jetzt auch keine Spritzen mehr kriegen muss, davor hatte sie riesige Angst, denn so welche wie wir, so welche wie Gina und ich, haben Angst davor, genau wie alle anderen auch.
Und keine Lust, dass jemand Fremdes zu uns in die Wohnung kommt, auch keine Nonne. Und ich hab gedacht, dass sie zum Glück eine alte Freundin getroffen hat, die das machen konnte. Als mir das alles eingefallen ist, war ich schon bei der Arbeit und sobald ich konnte, habe ich gesagt, dass mir schlecht ist, und dann bin ich hergekommen, habe angerufen, und jetzt bin ich hier. Ich weiß, dass es besser gewesen wäre, wenn ich früher daran gedacht hätte …«
»Ist schon gut, Nando. Ich habe verstanden.«
»Ich hab gewusst, dass Sie das verstehen würden. Ihre Frau kann nur mit einem guten Menschen zusammen sein. Auch wenn er Polizist ist.« Er wird rot, weil ihm das herausgerutscht ist, und ich tue so, als hätte ich es nicht gehört. Als er aufsteht, schiebt er den Stuhl so heftig zurück, dass der gegen die Tischbeine stößt. »Entschuldigen Sie …«
Ich zucke die Schultern. »Vielleicht fallen dir ja noch andere Dinge ein. Was du gesagt hast, scheint mir jedenfalls eine heiße Spur zu sein.« Ich sehe in seinen Augen, dass er am liebsten weglaufen würde. Hat er wirklich alles gesagt? Hätte er Francesca mehr erzählt? Weil sie keine Polizistin ist oder weil sie, auf welche Art auch immer, Vertrauen weckt? Fast muss ich laufen, als ich ihn zur Tür begleite, ich kann sie gerade noch aufreißen, als er dagegenrennt. Der letzte Satz, bevor er schon fast die Treppe hinunter ist: »Der richtige Name der Blüte ist Camellia Japonica . Ich habe mich schlau gemacht.«
Auf der Fahrt zur Questura, der übliche Vormittagsstau, denke ich über das nach, was mir Nando erzählt hat. Ich werde unter den alten Bekannten der Gualtieri suchen müssen. Wenn ich Glück habe, dann finde ich eine, die versucht hat aufzuhören, es aber nicht geschafft hat.
Und was hat der andere Mord damit zu tun? Es ist undenkbar, dass die Lotti anschaffen gegangen ist, nicht einmal als Puffmutter kann ich sie mir vorstellen. Die Tochter? Blass wie ein Leichentuch, hässlich wie die Nacht, absolut fade. Nein. Außerdem spüre ich es, wenn eine Frau mit Männern umgehen kann.
Und warum all diese Päckchen? Und warum an mich? Anselmi empfängt mich mit einem Gesicht, das Unheil verheißt. »Serra?« »Ja, Commissario. Sie sollen sofort zu ihm gehen.«
Nach einer Stunde komme ich wieder heraus, eine Stunde, die sich wie folgt gestaltet hat: Eine knappe Viertelstunde für die Antwort auf seine Frage ›Wie weit sind Sie mit den Ermittlungen? ‹, und den Rest der Zeit habe ich zerknirscht seinen Klagen über meine Arbeitsweise zugehört. Leandri. Ja, der arbeitet präzise, ist pünktlich und weiß immer, wie man eine Ermittlung richtig führt. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Leandri! Natürlich, Leandri, der den Finger hebt wie im Kindergarten, wenn er zur Toilette muss, und wenn er so weitermacht, dann braucht er noch jemanden, der ihm die Hose aufknöpft. Ah, natürlich, Leandri! Bei ihm besteht nicht die Gefahr, dass er seine Pflichten vernachlässigt. Seit Menschengedenken hat er noch nie einen Fall gelöst, doch er verhält sich in den Augen aller absolut untadelig: Zu den Bürozeiten ist er immer in seinem Büro.
Ich hasse es, an meinem Schreibtisch zu sitzen und zu warten, bis Neuigkeiten bei mir eintreffen.
Ich
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