Blumen fuer die Toten - Ein Fall fuer Commissario Mariani
jemand wirklich zuschlagen wollte, dann hat er es trotz aller Schutzmaßnahmen getan.« Francesca lebt in einer Welt der Worte. Auf sie haben sie eine tiefe und unmittelbare Wirkung. Ich habe einfach drauflosgeredet, um sie zu beruhigen, und beim Zuhören hat sie sich wieder unter Kontrolle gebracht.
»Also müssen wir mit Hochdruck arbeiten, Anto.« Sie sitzt mit untergeschlagenen Beinen auf dem Bett. Sie hat genau denselben Ausdruck von Entschlossenheit, Kompetenz und Überzeugungskraft im Gesicht wie damals, als ich sie in Rom bei einem Seminar über Monitoring und Evaluation kennen gelernt habe. Auf der Rückreise saßen wir dann zufällig im selben Abteil und haben entdeckt, dass wir gar nicht weit voneinander wohnten. Es heißt, dass Eisenbahnreisen langweilig sind - nun, es kommt immer auf die Gesellschaft an.
»Die Mörderin will dir nicht nur begegnen. Nein, sie will dich leiden sehen, Anto. Ich glaube, das habe ich schon gesagt. Aber warum will sie das?«
»Verrückte gibt es überall.«
»Sie ist nicht verrückt, Anto. Sie ist geistig klar und denkt einfach nur auf ihre sehr eigene Weise.«
»Und sie tötet.«
»Ja, sie tötet. Um dich leiden zu lassen. Du solltest versuchen herauszufinden, wer sie ist.«
»Was tue ich denn deiner Meinung nach? Das heißt, was machen wir, ich und die anderen zwei oder drei armen Wichte, die von Beruf Polizist sind?«
»Ich habe dir schon einmal gesagt: Wenn ein Weg nicht zur Lösung führt, dann versuche ich, einen anderen einzuschlagen. Eins ist sicher: Dich will sie leiden lassen. Bist du also die richtige Person, um herauszufinden, wer sie ist?« Sie sieht mich an und dann wieder weg. »Nein, ich glaube doch nicht.«
Ich schweige.
»Keiner von uns weiß, wem er ein Leid zugefügt hat, vor allem, wenn wir es getan haben, ohne es zu wollen.«
»Es muss doch ein konkretes Ereignis gegeben haben.«
»Wenn du nicht so blind wärst, könntest du es sehen.«
»Ich sehe noch sehr gut, Fran.«
»Ich meine das im übertragenen Sinn. Wenn du zu dicht dran bist, kannst du die selbstverständlichsten Dinge nicht erkennen, außerdem fehlt dir der Blick aufs Ganze.«
»Dann komme ich da nicht weiter. Mir bleibt nur die traditionelle Ermittlung.« Ich nehme das Blatt Papier, das sie fallen gelassen hat. »Es lief doch so gut.« Ich lese. »Wir waren bei drei angelangt.«
»Drei: das Farbtöpfchen. Vielleicht erinnert sich jemand, es verkauft zu haben, an eine Frau oder einen Mann, der oder die auf die Beschreibung passt. Vielleicht bekommen wir damit noch ein paar Informationen mehr. Vier … Mir fällt nichts mehr ein.« Sie schaut auf die Uhr. »In drei Stunden klingelt der Wecker, du solltest noch ein bisschen schlafen.«
»Das gilt auch für dich.«
»Ich kann auch noch schlafen, wenn ich Manu zur Schule gebracht habe, oder am Nachmittag.« Ja, jetzt fällt es mir wieder ein, sie hat ja eine Woche Urlaub genommen. »Aber du solltest schlafen, sonst schläfst du noch am Schreibtisch ein, und Anselmi …« Sie schlägt das Laken zurück und schiebt mich darunter, wie ein zu groß geratenes Kind. »Ich schreibe unsere Notizen noch einmal ordentlich ab.«
Ich versuche zu protestieren, ich will, dass sie hier bei mir schläft, doch sie hat Recht. Ich bin so müde, dass ich das Gefühl habe, ich werde in einem Boot vom Ufer weggetrieben...
Francesca weckt mich, nicht der Wecker. »Zeit, aufzustehen, Anto, ich habe dir Kaffee gemacht.« Sie trägt ihren weißen Frottee-Bademantel, doch das will nichts heißen, sie mag nämlich keine seidenen Negligés, und Bademäntel sind universell einsetzbar.
»Hast du ein bisschen geschlafen?«
»Ja.« Sie sieht mich an. »Hier neben dir, doch du hast es nicht gemerkt.« Sie geht zur Tür. »Mach leise, Manu schläft noch.«
Die Scheiben der Duschkabine sind beschlagen, in den Vertiefungen der Gummimatte im Duschbecken steht noch das Wasser. Sie hat eben erst geduscht. Ich schnuppere, ja, das ist ihr Shampoo.
Die Küche ist aufgeräumt, und sie hat offenbar auch den Boden gewischt.
Auf dem Tisch die Espressomaschine mit Untersetzer, Zuckerdose und zwei Espressotassen.
Sie sitzt schon da und wartet mit dem Kaffee auf mich. Ihr Gesicht wirkt frisch und glatt, als hätte sie die ganze Nacht geschlafen. Beim Einschenken sagt sie: »Ich habe die Notizen noch abgeschrieben« und reicht mir ein sauberes, ordentliches DIN-A4-Blatt.
Sie hat alles noch einmal in den Computer getippt und ausgedruckt, und ich habe nichts gehört. »Hast
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